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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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April 1951 wurde Franz Krone dem Direktorium der Musikhochschule Köln und sieben anwesenden Intendanten vorgestellt.
    Es war ein warmer Frühlingsnachmittag. Gewitterschwüle lag über dem Rhein.
    Professor Glatt stand im Nebenzimmer des Prüfungsraumes, der einmal der große Lichthof des Palais gewesen war und jetzt als Aula und Festsaal diente. Er schwitzte. Mit einem weiß und blau gestreiften Taschentuch fuhr er sich abwechselnd über die Stirn oder zwischen Hals und Kragen und sah zu Franz Krone hinüber, der ruhig, als gehe er zu einer der üblichen Proben, in der Ecke am Fenster stand und die Partituren noch einmal durchging.
    »Fischer ist da«, sagte Glatt und wischte sich wieder über die Stirn. »Dr. Fischer …« Und als er sah, daß dieser Name auf Krone keinen Eindruck machte, stürzte er auf ihn zu und faßte ihm an die Rockaufschläge. »Sie kennen Fischer nicht?«
    »Nein.«
    »Der Intendant der Münchener Staatsoper! Wenn Fischer nickt, ist ein Sänger gemacht, schüttelt er den Kopf, kann er Fische an der Markthalle verkaufen! Vor Fischer zu singen heißt, durch das Fegefeuer zu gehen. Manchmal hat er Sonderwünsche und gibt ein Notenblatt hin, irgendeine dusselige Arie aus einer längst vergessenen Oper, die er irgendwo in den Archiven ausgegraben hat. ›Singen Sie das einmal‹, sagt er dann. Und der arme Kerl, der so in seine Fänge kommt, schwitzt drei Liter aus.« Er tupfte sich wieder die Stirn und beugte sich aus dem offenen Fenster, als könne er dadurch ein wenig frische Luft um seinen heißen Kopf wehen lassen.
    »Haben Sie gar kein Lampenfieber?« fragte er.
    »Nein.«
    »Sie sind erst zwei Jahre in der Ausbildung, Krone. Ich bin gespannter als Sie, was Fischer sagen wird. Wenn er nickt, spendiere ich eine Pulle Sekt.«
    Über der Tür ertönte eine kleine, helle Klingel. Einmal kurz, einmal lang. Professor Glatt straffte sich. »Gleich ist es so weit …«
    Franz Krone legte die Noten weg und warf noch einmal einen Blick in den Spiegel an der gegenüberliegenden Wand. Er sah ein bleiches, dürres Gesicht über einem schwarzen Anzug, ein weißes Hemd mit silbergrauem Schlips. Seine Augen kamen ihm fremd vor, tiefliegend und glänzend wie im Fieber.
    Zweites Klingelzeichen. Professor Glatt zerknautschte sein Taschentuch und steckte es in die Hosentasche. Mit zittrigen Händen fuhr er sich noch einmal durch die langen, grauen Haare, dann nahm er seine Goldbrille ab und putzte sie umständlich. Als es an die Tür klopfte, stürzte er zu ihr hin und riß sie auf. Der Portier stand im Flur und kratzte sich den Kopf. »Die Emmi hat ein Engagement nach Kiel«, sagte er.
    »Das gönne ich ihr.« Professor Glatt setzte seine Brille wieder auf. »Was macht Fischer?«
    »Er gähnt …«
    »Er gähnt!« Professor Glatt raufte sich die Haare und rannte zu Krone zurück. »Er gähnt!« sagte er stockend.
    Drittes Klingelzeichen. Herrisch, schrill, anhaltend.
    »Es ist soweit.« Glatt schob den Kopf vor und trat hinaus auf den Flur. Franz Krone folgte ihm. »Viel Glück!« rief der Portier und spuckte Krone an. »Eigentlich müßten Sie den Fischer in Grund und Boden singen.«
    »Es wird schon gut gehen.« Franz Krone klopfte dem Portier auf die Schulter und folgte Professor Glatt, der schon an der Tür des Festsaales stand.
    Durch die Tür tönte das Stimmen des Orchesters. Geigen, Bratschen, ein Fagott … Einmal dröhnte dumpf die Kesselpauke. Das Orchester der Musikhochschule wartete auf Franz Krone.
    Die Tür schwang auf. Laut umspülte sie das stimmende Orchester. Kronleuchter warfen ihr Licht in den Saal. Gewirr von Stimmen, Husten, Rascheln, Lachen quoll aus dem Saal. Die Masse Mensch … Professor Glatt stieß Krone in die Seite. »Los!« sagte er leise. »Erst ›Turandot‹ … Dann den ›Faust‹ … Dann ›Tosca‹ und am Schluß die ›Hugenotten‹. Wenn alles klappt, als Zugabe ›Aida‹. Bringen Sie bloß nichts durcheinander.« Er stieß ihn noch einmal liebevoll in die Seite, dann eilte er in den Saal.
    Franz Krone stand allein in dem langen, nüchternen Flur. Durch die Tür blendete der Saal zu ihm hin. Das Schafott des Sängers.
    Professor Glatt hatte sich neben Dr. Fischer gesetzt. Die beiden Herren schüttelten sich mit aller Herzlichkeit die Hand. »Wenn es stimmt, was man über Krone sagt, dann darf ich wohl im voraus gratulieren, was?« lachte Dr. Fischer. Er sah in das gedruckte Programm und schob die Unterlippe etwas vor. »Den Kalaf als Anfang … Sie sind wirklich

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