Ein Mensch wie Du
theoretisch unkündbar.«
Die versprochene Flasche Sekt hatte Professor Glatt mit ihm und Greta getrunken, ganz allein, fern allem Trubel, nachdem Franz Krone sein Programm abgesungen und von Arie zu Arie die Begeisterung zu steigern vermocht hatte. Seine Zugabe aus ›Aida‹ war ein Triumph geworden. Dr. Fischer war nach dem Ende des Auftritts auf das Podium geeilt, hatte ihm vor allen Zuschauern die Hände geschüttelt und auf die Schulter geklopft. »Ich nehme Sie mit nach München!« hatte er schon auf dem Podium gerufen. »Wer auch immer jetzt zu Ihnen kommt – Sie sind besetzt!« Und sie kamen … Sieben Angebote von Hannover, Köln, Flensburg, Göttingen, Düsseldorf, Stuttgart und Braunschweig. Man bestürmte ihn, man wollte Gastspielabschlüsse festlegen, als man erfuhr, daß Dr. Fischer schon zugegriffen hatte … Franz Krone ging in diesem Wirbel unter und war Professor Glatt dankbar, der ihn aus dem Saal schob und in sein Zimmer dirigierte. »Ruhen Sie sich aus«, sagte er vorsorglich und schloß hinter ihm das Zimmer ab. Dann eilte er wieder zurück in den Festsaal und hatte alle Mühe, die Kritiker und Theaterfachleute abzuhalten, die mit Franz Krone ein Interview haben wollten.
»Laßt ihn leben!« rief Professor Glatt und hob beide Arme. »Und vor allem – was der Junge jetzt braucht, ist Ruhe!«
Als sich der Trubel gelegt hatte und nach der Pause die anderen Kandidaten vorgestellt worden waren – drei junge Sängerinnen und zwei Dirigenten –, als sich schließlich der Festsaal leerte, fuhren Professor Glatt und Franz Krone in die Wohnung des Professor nach Klettenberg. Vorher stellte Krone noch Greta Sanden vor.
»Diesem schönen Mädchen allein habe ich es zu verdanken, daß ich zu Ihnen gekommen bin«, sagte Krone und nahm die Hand Gretas. Es kam ihm in dieser Stunde nicht in den Sinn, daß er dabei log und daß es Sandra Belora war, die ihn dazu getrieben hatte, die Gärtnerei zu verkaufen, um ihn zu einem ›hungrigen‹ Sänger zu machen. Professor Glatt drückte die Hand Gretas und sah sie durch seine Goldbrille liebenswürdig an.
»Sie haben damit der Welt etwas geschenkt, mein Fräulein«, sagte er langsam und mit Betonung. »Ich bin ein alter Mann und habe vieles in diesem komischen Leben gesehen. Einen kleinen Rat muß ich Ihnen geben: Wenn Sie Franz Krone lieben, dann halten Sie ihn bloß fest, ganz fest … Künstler haben die merkwürdige Eigenschaft, bei zunehmender Berühmtheit zu entgleiten. Warum, weiß ich nicht … Vielleicht glauben sie, es ihrer Karriere schuldig zu sein. Halten Sie ihn fest … Und nun kommen Sie alle zu mir, die Flasche Schampus trinken.«
Das war vor drei Monaten gewesen, und nun stand der 1. September fest als erster Tag, an dem der neue, hoffnungsvolle Tenor an der Bayerischen Staatsoper in München auftreten sollte.
Greta Sanden war mit Franz durch Köln gegangen und hatte mit ihm eingekauft. Zwei neue Anzüge brauchte er, drei Hemden, zwei Paar neue Schuhe, Handschuhe … »Da Sie auch Konzerte geben werden, wäre es gut, wenn Sie Ihren Frack nach München mitbringen …«, hatte Dr. Fischer geschrieben. Also kauften sie auch einen Frack und alles, was zu ihm gehört, Hemd, Strümpfe, Fliege, Schuhe … Er kaufte sich auch einen leichten, schwarzen Mantel und war froh, daß Greta bei ihm war und ihn beriet.
Vierzehn Tage vor Beginn der Probenarbeit, zu der Franz Krone in München eintreffen mußte, kam ein neuer Brief von Intendant Dr. Fischer. Er war kurz, aber er warf Franz Krone aus dem seelischen Gleichgewicht.
»Die Staatsoper wird Sie als Cavaradossi in ›Tosca‹ vorstellen. Studieren Sie bitte schon die Partie. Im übrigen freuen wir uns, als Ihre Partnerin eine große Kollegin gewonnen zu haben. Die Tosca wird Frau Belora singen.« Sandra!
Franz Krone steckte den Brief zerknüllt in seine Tasche und fuhr an diesem Tag hinaus in das Kölner Stadion. Er mußte Weite um sich haben, Luft, Bäume, Blüten, den Geruch von Erde und das Rauschen hoher Baumkronen. Den ganzen Tag saß er draußen auf den Bänken und starrte in die blühenden Büsche am Weg oder ging ruhelos auf der weiten Jahnwiese hin und her. Mittags aß er in einem Ausflugslokal und verkroch sich dann wieder in die Einsamkeit, saß am Decksteiner Weiher und wanderte durch die Parkanlagen in der Nähe des Reitturnierplatzes.
»Ich werde nicht singen, wenn sie die Tosca spielt«, dachte er immer wieder. »Ich werde es Dr. Fischer schreiben – und wenn das Engagement
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