Ein Mensch wie Du
Vorhang zur Seite und betrat einen Salon.
Die Dunkelheit des Abends lag in dem großen Raum. Nur von dem offenen Kamin her flackerte ein greller Schein über die dicken Teppiche und die modernen, hellen Möbel, ein zuckender, flammender Lichtkegel, der die Gegenstände plötzlich aus der Dunkelheit heraushob.
Mit zusammengebissenen Zähnen, die Fäuste geballt, blieb Franz Krone an der gläsernen Tür stehen. Am flammenden Kamin, umzuckt vom Schein des Feuers, stand Sandra Belora.
Eine Weile starrten sie sich stumm entgegen. Dann wandte sich Krone wortlos um und wollte den Salon verlassen. Ihre Stimme riß ihn herum.
»Komm herein«, sagte sie leise.
»Was machst du hier?« fragte er, aber er schloß hinter sich die Glastür und schob die Portiere davor.
»Ich bin Gast bei Dr. Fischer wie du. Berühmte Sänger, die an der Staatsoper gastieren, wohnen alle bei Dr. Fischer für die Dauer ihres Münchener Gastspiels.«
Sie löste sich vom Kamin und trat auf ihn zu. Ihr enges, schwarzes Kleid schob sich bei jedem Schritt etwas an den schlanken Beinen empor. Ein Feuerstrahl traf ihr Ohr. Es blitzte auf und funkelte … »Brillanten«, dachte Franz Krone, »sie trägt einen Brillanten im Ohr …«
»Ich freue mich, daß ich mit dir singen darf«, sagte sie. Sie stand jetzt dicht vor ihm. Er spürte ihren Atem und glaubte trotz der Dunkelheit den goldenen Punkt in ihren Augen zu sehen.
Er trat einen Schritt zurück und legte die Hände auf den Rücken, um nicht in die Verlegenheit zu kommen, ihr die Hand zu geben.
»Ich werde Dr. Fischer bitten, für deine Tosca einen anderen Cavaradossi zu suchen«, preßte er hervor.
»Ach!« Sandra zog die nachgemalten, dünnen Augenbrauen hoch. Sie sah ein wenig hochmütig aus in ihrer Verblüffung, ein wenig überrascht und sogar ratlos. »Du freust dich nicht, mich wiederzusehen?«
»Das kann man nicht behaupten! Ich hasse dich!«
»Sehr dramatisch! Und warum, wenn ich fragen darf?«
»Ich habe deinetwegen die Gärtnerei verkauft, ich habe bei Glatt Stunde genommen, ich bin ein Sänger geworden …«, stieß er erregt hervor. Er verkrampfte die Hände auf dem Rücken ineinander und streckte den Kopf vor, als wolle er ihr die Worte ins Gesicht schreien, in dieses bewußt blasse, gepflegte, seelenlose Gesicht eines gut frisierten und kunstvoll herausgeputzten Stars.
»Und deshalb haßt du mich?« Sandra schüttelte langsam den Kopf. »Du solltest mir dankbar sein, Lieber …«
»Ich wollte nie ein Sänger werden, nie, nie! Aber als du weggingst an jenem Abend, mußte ich es werden.«
»Und du wirst die Welt erobern mit deiner Stimme. Millionen werden dir zu Füßen liegen. Du wirst besitzen, was du dir wünschest … Wie mich …« Sie trat nahe an ihn heran und legte die Hände auf seine Schulter. Ihr schmaler Kopf schnellte vor, raubtierhaft. Die vollen Lippen waren halb geöffnet …
Er faßte ihre Arme und riß sie von seiner Schulter.
»Laß das!« stieß er heiser hervor. »Ich bin ein anderer Mensch als damals … Ich habe zwei Jahre in Not gelebt, um hier zu stehen!«
»Ab heute wirst du reich sein.« Ihre Stimme war leise, bebend, fast wie ein Pianogesang. Es war, als durchfliege ihren Körper ein inneres Zittern. Sie trat an den Kamin zurück und wurde wieder umspielt von dem Schein der zuckenden Flammen. »Komm – setz dich hierher, Franz.« Sie wies auf einen der tiefen, flachen Sessel, die um den Kamin und einen schweren Mosaiktisch standen. »Warum willst du dir selbst entfliehen …?«
»Ich heirate in vierzehn Tagen«, sagte er steif und blieb an der Glastür stehen.
Sandra lachte. Ihr Lachen perlte durch den dunklen Raum …
»Wie die Kaskaden der Wasserspiele im Park der Villa d'Este«, mußte Krone wieder denken.
»In vierzehn Tagen! Das ist eine Ewigkeit, mein Liebling! Das sind vierzehn Tage und vierzehn Nächte … Wer wird daran denken, was in vierzehn Tagen geschieht? Der heutige Abend ist unser … Das allein ist Wahrheit, ist greifbar, ist da … Das allein kannst du fassen: den Raum, die Dunkelheit, das Feuer im Kamin, die Sessel … Mich …« Ihre Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Komm zu mir, Franz … An den Kamin.«
»Was willst du?« Aber während er es fragte, kritisch und zurückhaltend, sichernd wie ein verfolgtes Wild, kam er näher, hinein in den Lichtschein des flackernden Feuers, und wurde übergossen von dem Spiel der Flammen.
»Setz dich«, sagte Sandra sanft. Gehorsam ließ er sich in den weichen Sessel fallen
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