Ein Mensch wie Du
sterben. Die Nonnen lagen auf den Knien und beteten, der bärtige Mönch schlug unentwegt das Kreuz und segnete die Frauen und Männer, die auf den Knien zu ihm rutschten und um die Gnade Gottes flehten.
Ein Schrei durchgellte die Höhle. Der Berg schien ineinanderzusinken, die Wände der Höhle bogen sich nach innen. »Das Ende«, dachte Franz Krone. »Das ist das Ende.« Er faßte unter das Kinn Glorias und hob ihr tränennasses Gesicht empor.
»Ich habe dich wirklich geliebt«, sagte er mit leiser, schwankender Stimme. »Du sollst es wissen, Gloria – ich war wirklich glücklich.«
Er küßte sie, mit geschlossenen Augen, während die Erde unter ihm schwankte und seinen Körper durchbebte. Dann standen sie eng umschlungen an der nassen Wand und erwarteten das Ende.
Der Berg brach zusammen. Staub quoll vom Ausgang her, der Amerikaner kam in die Höhle gestürzt, graugelb, mit irrem Blick. »Wir sind verschüttet!« brüllte er. »Der Ausgang ist zu! Wir werden alle ersticken!« Er riß das Hemd auf, als spüre er schon die Atemnot, und trommelte gegen die Felswand. »Ich will nicht sterben!« schrie er grell. »Ich gebe eine Million Dollar, wenn ihr mich hier herausholt! Eine Million! Luft! Luft!«
Sein Schreien brach sich in der weiten Höhle. Die Nonnen schwiegen. Die griechischen Führer und Landsleute knieten vor dem Mönch und hatten die Köpfe gesenkt.
»Gib uns deinen letzten Segen, Bruder«, sagte einer der Bauern. Seine Stimme war fest. Er bekreuzigte sich und beugte das Haupt tief auf die Hände. Der bärtige Mönch hob beide Arme.
»Keinen Segen!« heulte der Amerikaner und stürzte auf den Mönch zu. Er riß ihn an der Kutte herum, in seinen irren Augen stand das Grauen. »Ich baue euch eine neue Kirche, ein neues Kloster, wenn Ihr mich rettet! Wenn euer Gott mich hier herausläßt! Ruft doch Gott! Ruft doch! Schreit nach ihm! Er muß doch helfen! Ich bin doch unschuldig, ich habe nichts getan, ich war immer ein guter Mensch … Warum soll ich ersticken? Eine neue Kirche und ein neues Kloster! Aber helft mir doch, helft mir …« Er sank wimmernd zu Erde und wälzte sich in Krämpfen auf dem feuchten Boden.
Das Licht der wenigen Taschenlampen geisterte über die Wände. Es huschte über verzerrte Gesichter, über gesenkte Köpfe, über betende Nonnen und einen hoch aufgerichteten, segnenden Mönch.
Die Luft wurde dünner, die Menschen glaubten es wenigstens zu fühlen. Es war, als hielten sie plötzlich den Atem an, als könne man hören, wie die Luft weniger würde. Auch der Berg schwieg, die Erde grollte nicht mehr, die Felsen standen.
Da brach das Menschliche zusammen in einem Schrei nach Leben. Die Männer stürzten zum Ausgang, sie rissen die Frauen nieder, sie stießen die Kinder zur Seite, die schreiend im Dunkeln saßen, sie stießen sich gegenseitig vom Ausgang fort und versuchten, die Felsen, die den Weg versperrten, fortzuziehen. Ein großer Italiener stand am Ausgang, man hatte ihn vorher nicht bemerkt, weil er im Hintergrund der Höhle gekauert hatte. Jetzt stand er, die Beine gespreizt auf den Boden gestemmt, vor dem Ausgang, in der Hand eine Pistole. Seine Augen waren hart, flimmernd im Licht der Lampen, die ihn plötzlich anstrahlten.
»Zurück!« schrie er. »Wer sich dem Ausgang nähert, wird erschossen!« Jetzt sah man, daß drei andere Italiener, die zu ihm gehörten, an den versperrenden Felsen arbeiteten und die Steine einfach hinein in die Höhle warfen.
»Wir wollen hinaus!« schrie der Amerikaner. Er wollte vorstürzen, aber der Franzose, der bis jetzt seine Frau umarmt hatte, hielt ihn fest.
»Erst wir!« sagte der große Italiener laut. Dabei richtete er seine Waffe auf den Amerikaner. Aus dem Hintergrund der Höhle drängten neue Menschen nach vorn. Jetzt erst sah man, wie viele in den Felsen Zuflucht gesucht hatten. Sie rannten zum Ausgang und standen dann, mit geballten Fäusten, vor dem Italiener, der ruhig seine Waffe hielt. »Der erste, der auf mich zutritt, wird niedergeknallt!« schrie er laut. Und zu den arbeitenden Männern gewandt, rief er: »Macht schnell, Jungens – nur ein kleines Loch, daß wir durchkommen. Mögen die anderen vor die Hunde gehen!«
Schreie der Entrüstung brachen aus der Menge, und die Masse der Eingeschlossenen sprang nach vorn. Ein Schuß bellte auf. Der Mönch, der sich nach vorn gedrängt hatte, um dem Italiener zuzureden, faßte sich an die Schulter und fiel in die Arme des Amerikaners. »Zurück!« schrie der Italiener,
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