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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Frau in den Armen zu halten. Und bei Gloria vergaß er Sandra und Greta und zog mit einem neuen Glücksgefühl hinaus in die Welt – ein Sänger, der in den Bars von Belgrad und Skopje, Korinth und Nauplion mit halber Stimme und wippenden Beinen in einem weißen Frack Jazzmelodien sang.
    Er war zufrieden mit seinem Los, er dachte nicht mehr an seine Berufung, der Welt einen neuen Opernstar zu geben. Er hatte zu essen, er sah die Welt in all ihrer Buntheit und Schönheit, mit ihrem Schmutz und ihren Sonnenseiten, er liebte ein schwarzhaariges, schönes, in seinen Armen fast zerschmelzendes Mädchen und wünschte sich nichts mehr, als daß dieses Glück, wie er glaubte, bei ihm bleibe und die Wunden heile, die er sich selbst in seiner Verblendung und Angst geschlagen hatte.
    So kamen sie nach Griechenland. Gloria, Franz, Jackie und zehn Mann des John-Orchesters. Heute in Nauplion, übermorgen schon wieder in Korinth, und in einem Monat in Athen, wo Franz Krone auf der Akropolis stehen würde, die er einmal als Junge in griechischer Sprache beschreiben mußte. Und er würde den Atem der Klassik spüren und einen Augenblick vergessen, daß er hier war, um amerikanischen Jazz zu singen. Ragtime an der themistokleischen Mauer …
    Der kleine blaue Wagen hüpfte über die Straße, dem Tempel des Asklepios entgegen. Gloria Marina fuhr ihn, ihre langen, schwarzen Haare flatterten im Fahrtwind. Da nahm Franz Krone ihren schmalen Kopf zwischen seine Hände, zog ihn zu sich herüber und küßte ihn auf die Lippen.
    »Du!« sagte Gloria und stieß in weg. »Du … Wir fahren gegen einen Baum! Solch ein unvernünftiger Lümmel!« Aber sie lachte dabei, und der kleine blaue Wagen schoß über die Felsenstraße des Arachnaion …
    Nördlich der Ruinen von Ligurio liegt das klassische Epidauros. Von einer riesigen, kreisrunden Bühne aus steigt das klassische Amphitheater in den Himmel, gewaltig, wie ein Weltwunder der Baukunst, Stufe nach Stufe in den Felsen gehauen, Rang über Rang, durchschnitten von den das gewaltige Rund teilenden Gängen, die von der höchsten Sitzreihe hinunter bis zur Bühne führen. Es ist, als habe hier die Kunst der dramatischen Muse, als hätten Thalia und Melpomene einen Hymnus Stein werden lassen. Denn dem kleinen Menschen, der unten auf der Bühne steht und hinaufsieht über die Steinränge, schwindelt, und er meint, die Stufen führten hinein in den Himmel, der weißblau über dem Theater hängt.
    Oben, auf den Stufen des höchsten Ranges, saßen an diesem Nachmittag Gloria und Franz und blickten hinunter auf die Bühne. Die Kühnheit dieses Baues ergriff auch Gloria. Stumm starrte sie hinab auf die kleinen Menschen, die eben über den Kreis der Bühne gingen, wie Ameisen wimmelnd, aber ihre Worte schwebten durch den Raum, als seien sie riesenhaft und kämen nicht aus diesen Körpern, die sich wie Punkte ineinander schoben.
    »Man kann jedes Wort verstehen«, flüsterte Gloria verblüfft, »auf diese Entfernung …«
    »Das ist die unerreichte Kunst der Griechen … Sie bauten Theater, auf denen die Worte Musik wurden und mit dem Himmel verwuchsen.« Franz Krone stützte die Hände auf die Knie. »Wenn Jackie bei uns wäre«, sagte er lächelnd, »und diese Akustik hörte, würde er sagen: ›Hier machen wir ein Jazz-Festival! Mit der Kulisse, mit tausend Zuschauern, auf dieser Bühne, bei der Akustik, und dann den Tigerrag oder den Basin Street Blues … Die Leute werden rasen und sich in Begeisterungskrämpfen winden.‹« Er lachte und legte den Arm um Glorias Schulter. »So wie wir jetzt, saßen früher vor über zweitausend Jahren die Liebespaare von Epidauros und hörten auf die Verse des frechen Aristophanes.«
    Er wollte Gloria noch etwas sagen, als er plötzlich unter sich den Sitz schwanken fühlte. Erstaunt sah er Gloria an, die ihn fassungslos anstarrte.
    »Was war das?« fragte sie.
    »Der Sitz hat gewackelt.« Franz Krone erhob sich und untersuchte die Steinstufe, auf der sie saßen. »Alles in Ordnung. Der Sitz ist nicht locker.«
    Er schwankte plötzlich und wäre hingefallen, wenn nicht Gloria ihn aufgefangen hätte. Der Boden unter ihm zitterte. Entsetzt sahen sie sich um. Unten, auf der Bühne, liefen die anderen Menschen durcheinander. Ein griechischer Fremdenführer, der die Besucher durch die Ruinen von Epidauros führte, rannte an ihnen vorbei, die Schirmmütze mit dem Metallschild ›English spoken – on parle français‹ schief auf dem Kopf. Ein neuer Erdstoß warf Franz

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