Ein Mensch wie Du
sich einen Liegestuhl mit einem großen, roten Sonnenschirm, den er in die Erde rammte. So lag er am Strand, in der Nähe des berühmten Amphitheaters von Taormina, das ihn an das schreckliche Erlebnis des Erdbebens von Argolis erinnerte, bei dem das halbe Epidauros zerstört wurde und das doch seine Wiedergeburt wurde, so, wie Phönix aus der Asche stieg … Epidauros und Francesco Corani, sie würden immer miteinander verbunden sein.
In der zweiten Woche – Corani lag am Strand und sonnte sich nach einem Bad, trank einen Eisflip und las die neueste Zeitung aus Rom, die das erste Auftreten Coranis in großen Worten ankündigte – näherte sich auf der staubigen festgewalzten Straße zum Albergo ein weißer Wagen. Mit knirschenden Bremsen hielt er vor dem kleinen Hotel, und eine schwarzhaarige, schlanke Frau sprang von den roten Lederpolstern auf den Boden. Sie sah sich um und eilte dann mit großen Schritten in das Haus. Ein weißer De Soto … Sandra Belora …
Ahnungslos lag Francesco Corani am Strand. Mit geschlossenen Augen genoß er die Stille der Landschaft, das beruhigende Rauschen des Meeres, die Wärme der Sonne und den Wind, der von Afrika über das Meer herüberwehte.
Von der Höhe der Küste aus betrachtete Sandra Belora den Mann, der klein unter seinem Sonnenschirm, der wie ein leuchtender roter Fleck im weißen Sand lag, sich ausgestreckt hatte und zu schlafen schien.
Mit langen, hüpfenden Schritten sprang Sandra den Hang hinab und ging auf Zehenspitzen dem roten Schirm zu.
Und das Rauschen des Meeres übertönte das Knirschen ihrer Schuhe …
5
Von Rom aus flog der Name Francesco Corani um die Welt. Neapel, Mailand, Turin, Verona, Venedig, Madrid, Paris, London, New York, San Francisco, New Orleans und Rio de Janeiro hörten und sahen die neue Wunderstimme. Der Film überhäufte Corani mit Angeboten und wahnwitzigen Gagen … Caricacci, der auch der Manager Coranis war, winkte ab. »Noch nicht«, sagte er, wenn ihn die Herren vom Film bestürmten. »Erst soll er von der Oper herab die Welt begeistern … Der Film kommt immer noch! Ich will aus ihm eine operngeschichtliche Persönlichkeit machen wie Caruso, die Melba oder Gigli. Unser Jahrzehnt soll von der Kunst her mit seinem Namen verknüpft sein … Dazu brauche ich keinen Film!«
Sandra Belora war wieder um Corani … Caricacci, der sich wohl oder übel darin schicken mußte, nannte sie ›unser Reisegepäck‹. Sie war die einzige Partnerin Coranis. Der Triumph der beiden Stimmen war nicht zu übertreffen und fand auch keine Vergleich zu vergangenen Gesangspaaren, seien es Gitta Alpar und Richard Tauber, Maria Caniglia und Gigli oder Toti dal Monte und Tito Schipa. Ihre ›Tosca‹, ›Bohème‹, ›Turandot‹, ›Aida‹, ›La Traviata‹, ›Butterfly‹ oder ›Troubadour‹ waren unvergleichlich und rissen die Menschen in den Opernhäusern der ganzen Welt von den Sitzen.
Über ein Jahr reisten Corani und Sandra Belora zusammen von Opernbühne zu Opernbühne, ein Siegeszug ohnegleichen, der schon begann, ehe sie überhaupt sangen, denn ihre Namen allein genügten, um die Städte, in denen sie gastierten, in einen Trubel zu versetzen und die Eintrittskarten auf wahnsinnige Preise zu treiben.
Francesco Corani hatte sich in diesem Jahr des kometengleichen Aufstiegs verwandelt. Aus dem etwas schüchternen, schlaksigen Franz Krone, dem Abiturienten, der Offizier wurde und nichts gelernt hatte als lateinische Vokabeln und trigonometrische Berechnungen – »aus Ihnen wird nie etwas, Krone, Sie sind die größte mathematische Niete!« hatte doch der Mathematiklehrer gesagt –, aus diesem lang aufgeschossenen Jüngling mit dem zermarterten Gesicht war ein strahlender Held geworden, der mit siegessicherem, gelerntem sonnigem Lächeln seine Autogramme gab, den schönen Mädchen unter das Kinn griff und ihr Gesicht zu sich emporhob, sehr zum Ärger Sandras, die ihm deswegen auch schon ein Dutzend Szenen gemacht hatte, und der mit einer Sicherheit und fast beängstigenden Selbstverständlichkeit sein Startum zur Schau trug, daß selbst Caricacci sich manchmal in einer stillen Stunde den Kopf kratzte und sich im geheimen wünschte, einmal, nur einmal müßte ein Opernabend kein Erfolg werden, damit auch ein Francesco Corani sah, daß er besiegbar wäre und der Weg zu dem unbekannten Franz Krone zurück nicht allzu weit sei.
In München lagen unterdessen die Verträge zu einem Gastspiel in der Staatsoper fest. Intendant Dr. Fischer hatte
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