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Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)

Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)

Titel: Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Bratley
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Joe hatte mir keine Details über die Gäste verraten – er kannte sie selbst nicht –, nur dass insgesamt fünf Personen vorbeikämen, drei Kandidaten, ein Fotograf und seine Kollegin Dominique.
    »Nein«, erwiderte ich ruhig. »Ich hatte keine Ahnung. Ich bin gebeten worden, für jemanden einzuspringen, der ausgefallen ist. Ich hatte keine Ahnung, dass du …«
    »Natürlich. Hier lebst du also? In dieser Wohnung?«
    »Ja«, antwortete ich. »Ich. Wohne. Hier. Ja.«
    Wir schienen anscheinend die Fähigkeit verloren zu haben, ein einigermaßen geistreiches Gespräch zu führen. Ich konnte nicht aufhören, ihn anzustarren. Seine Gesichtszüge waren mir so vertraut. Er sah aus wie immer und stand mit glänzenden Augen in der Diele und überragte mich – ich hatte vergessen, wie groß er war. Seine Größe und die breiten Schultern hatten mir immer das Gefühl gegeben, besonders klein und weiblich zu sein, was mir sehr gefallen hatte. Ich spürte, wie sich langsam eine Röte über meinen Hals und mein Gesicht ausbreitete. Ich fasste mir an die Wangen und tätschelte sie verlegen.
    »Geht’s dir gut?«, fragte er. »Du siehst heiß aus.«
    Er riss die Augen auf und schüttelte den Kopf.
    »Ich meine«, erklärte er, »du siehst aus, als wäre dir heiß. Das Wetter ist erdrückend, findest du nicht auch? Oh Gott, rede ich hier wirklich vom Wetter? Du darfst mich erschießen.«
    Die Hand zu einer Pistole geformt, hielt er sie sich an die Schläfe und grinste. Ethan hatte sich mittlerweile wieder gefangen, starrte mich an und sah aus, als würde er gleich zu lachen anfangen. Lachen war seine Art der Abwehr. Sein schwarzes Haar war etwas länger, trotzdem sah er so umwerfend aus wie früher. Vom Typ her ein bisschen wie der junge Robert Mitchum. Irgendwie gefährlich. Seine Augen, immer Gegenstand reger Diskussionen unter Frauen, besaßen eine erstaunliche Ausstrahlung. Wer sie einmal von Nahem gesehen hatte, dem blieben sie für immer im Gedächtnis.
    »Das kann ich … äh … nicht«, krächzte ich. »Die anderen Gäste kommen jede Minute. An sich sollte ich in der Küche stehen, sonst ist meine Schokoladensoße völlig hinüber. Was starrst du mich so an?«
    Ethan musterte mich von oben bis unten. Panik stieg in mir hoch. In meinen Tagträumen hatte ich mir immer vorgestellt, dass, wenn ich ihm noch einmal begegnete, so umwerfend aussehen würde, dass ihm die Kinnlade herunterfallen müsste. Schlank wie eine Tanne. Fröhlich und mit positiver Ausstrahlung, entweder eine Horde von Menschen unterhaltend, die an meinen Lippen klebten, oder in einem Mercedes-Cabriolet sitzend, mit dem ich die Straße herunterdüse, immer wieder mein Haar schüttele, den Kopf nach hinten werfe und lache.
    In Wahrheit aber spürte ich, wie mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich und eine fürchterliche Kälte in mir hochkroch. Mein Haar fühlte sich zu kurz und zu rot an, der Lippenstift zu dick aufgetragen. Von einem Mercedes war weit und breit nichts zu sehen, nur mein Fahrrad stand angekettet am Eingangstor. Ich fragte mich, ob ich in den letzten drei Jahren gealtert war, wenngleich ich erst achtundzwanzig war. Trotzdem war ich mir meiner tiefen Lachfalten bewusst und hasste mich dafür, dass ich mir darüber Gedanken machte. Tränen stiegen mir in die Augen. Ich ermahnte mich, ja nicht zu weinen, doch konnte ich nichts dagegen tun und biss mir auf die Lippe.
    »Bitte, weine nicht!«, sagte Ethan mit sanfter Stimme. »Bitte.«
    Ich legte die Hände auf die Augen und wischte laut schniefend die Tränen weg.
    »Tu ich ja gar nicht.« Doch mein Mund verzog sich. »Echt nicht!«
    Ethan wurde plötzlich ernst und berührte mich am Arm.
    »Eve«, sagte er, »es tut mir leid. Ich weiß, das hier ist wirklich ein Schock, und wahrscheinlich bin ich der letzte Mensch auf Erden, den du sehen wolltest. Aber glaub mir, ich habe nicht im Geringsten damit gerechnet, dass du mir die Tür öffnest.«
    Verärgert wischte ich mir die Tränen von den Wangen.
    »Mir geht’s gut«, erklärte ich mit brüchiger Stimme. »Ich habe nur gedacht … nun ja, eben gedacht … dass ich dich nie wiedersehen würde. Immerhin hast du dich damals in einer Rauchwolke aufgelöst …«
    Ich hielt kurz inne, um mit den Fingern zu schnalzen.
    »Ich weiß«, antwortete er.
    »Einfach so … du … du … hast mir nichts als diesen armseligen Zettel hinterlassen! Und ich weiß bis zum heutigen Tag nicht, was ich falsch gemacht habe oder was falsch lief, doch muss es etwas

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