Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)
sie es sichtlich, mir unter die Nase zu reiben, dass es nicht annähernd so gut war wie das von Mum. Als ich einmal Mums Schürze anzog, riss sie sie mir herunter und schnitt sie mit der Küchenschere kaputt.
»Du kannst nicht sie sein, du dummes Ding!«, brüllte sie mich an. »Ich hasse dich!«
Ich hielt gerade ein Rezeptbuch in der Hand und schlug sie damit, so fest ich konnte, bis sie aufhörte, mich anzuschreien.
»Was glaubt ihr, was eure Mutter dazu sagen würde«, polterte Dad daraufhin und zitterte dabei am ganzen Körper. »Wie würde sie sich fühlen, wenn sie euch sehen könnte? Denkt einmal daran, denkt an sie! Ihr solltet ihr Andenken in Ehren halten!«
Eine Weile jedoch schien es, als würde ich mit allem, was ich tat, Daisys Zorn hervorrufen. Ich hatte das Gefühl, auch sie verloren zu haben. Unsere Beziehung wurde erst besser, als sie vier Jahre später, mit achtzehn, auszog. Daisy, drei Jahre älter als ich, stellte damals gerne ihre neu errungene Unabhängigkeit zur Schau, und ich war ein dankbares Publikum. Auch wenn sie bestimmte Aspekte meines Lebens ziemlich schonungslos kritisierte, wie zum Beispiel die Tatsache, dass ich zu Hause bei Dad wohnte und für ihn kochte, bemühte ich mich, ihr Wohlwollen zu gewinnen, was mir auch manchmal gelang. Manchmal aber auch nicht. In jenen Momenten stand ich kurz davor aufzugeben, doch ich hielt durch. Für Mum, für unsere Familie, die einmal gewesen war .
»Was glaubst du, was würde Mum wollen, dass ich tue!«, fragte ich Dad, als wir in seinem großen Badezimmer standen.
Ich war schnurstracks zu ihm nach Clapham rausgefahren, nachdem Isabel und ich mit unseren Arbeiten im Café fertig waren. Als ich die Haustür meines Elternhauses öffnete, ein dreistöckiges Stadthaus, schlug mir wie immer der Duft von frisch gemahlenem Kaffee, den Dad literweise trank, und von Farbe – er renovierte immer gerade irgendetwas im Haus –, entgegen. Aus dem Radio ertönten Oldies, ich rief hallo und hängte meine Strickjacke auf den Kleiderständer neben der Haustür. Ich strich über Mums roten Wollmantel, den Dad auch nach all den Jahren nicht vom Kleiderhaken nehmen wollte und der, ich schwöre es, immer noch nach ihrem Parfum roch, wenn ich nur dicht genug mit meiner Nase daran schnupperte.
»Deine Mutter hätte das gesagt, was sie immer gesagt hat, wenn es sich um Herzensangelegenheiten handelte«, erklärte er, als ich mit verschränkten Armen gegen die Badezimmertür gelehnt dastand, während er, in kurzer Hose und T-Shirt, dabei war, sich die letzten Büschel seines weißen Haares für eine gute Sache abzurasieren. »Erst springen, dann denken. Doch das kann ich überhaupt nicht empfehlen, besonders nicht in diesem Fall.«
Dad saß auf der Badewanne, einem Exemplar, das noch Klauenfüße hatte, und schaute in die offen stehende, verspiegelte Tür des Medizinschränkchens über dem Waschbecken. Sein Haar fiel so locker und leicht auf den schwarz-weiß gekachelten Boden wie eine durch den Wind fortgetragene Pusteblume. Dad, ein stattlicher, gut gebauter Mann, der durch die viele Zeit im Garten stets von der Sonne gebräunt war, hatte bis zum Mums Tod pechschwarzes Haar gehabt. Danach jedoch, meinte er, sei ihm die Farbe entzogen worden und in die Erde verschwunden. Seine dunkelblauen Augen hingegen hatten ihre Leuchtkraft nie verloren, wenngleich sie mir immer traurig erschienen. Doch wenn ich ihn darauf ansprach, lachte er immer und meinte, er wäre glücklich.
»Hmm«, sagte ich. »Es geht aber jetzt nicht darum, ob ich wieder mit Ethan zusammenkomme, oh Gott, nein, sondern darum, ob ich aus dem Supper Club aussteigen und wie ich Joe beibringen soll, dass Ethan wieder aufgetaucht ist. Ich weiß, ich sollte da nicht mehr hingehen, aber ein Teil von mir will Ethan wiedersehen. Ist das nicht furchtbar? Ich bin ein schrecklicher Mensch.«
Dad schüttelte den Kopf. »Nein, das ist völlig natürlich«, erwiderte er, schloss die Tür des Medizinschränkchens und drehte das Wasser auf, um die letzten Haarsträhnen im Waschbecken hinunterzuspülen. »Du hast diesen Kerl einmal geliebt, aber du musst vorsichtig sein, was Joes Gefühle betrifft. Er verdient es, dass du ihm treu bist. Ich finde, du solltest ihm die Wahrheit sagen und Ethan nicht wiedersehen. Ich möchte nicht, dass du noch einmal verletzt wirst. Ich bin ein alter Mann. Noch mehr Kummer und Leid ertrage ich nicht. Abgesehen davon hast du mit dem Café schon genug um die Ohren. Apropos Café, mein
Weitere Kostenlose Bücher