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Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)

Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)

Titel: Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Bratley
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Das wäre falsch, oder? Ich habe es bis jetzt noch nicht einmal Joe gesagt. Alles, was ich einmal gefühlt habe, kommt wieder hoch. Mir ist schlecht.«
    Dad gab ein brummendes Geräusch von sich. Ich hörte, wie er im Hintergrund den Kühlschrank öffnete und wieder schloss.
    »Nun«, meinte er und schenkte sich seinen morgendlichen Smoothie in ein Glas. »Ich persönlich finde, du solltest ihn nicht wiedersehen, auch wenn das das Ende des Supper Club für dich bedeutet. Er hat dir damals dein Herz gebrochen, mein Kind, und zwar richtig!«
    »Ich weiß«, erwiderte ich und legte meine Hand in den Nacken. »Aber ich muss wissen, warum er mich verließ und ob ich immer noch echte Gefühle für ihn empfinde. Ich kann einfach nicht aufhören, an ihn zu denken. Ich weiß, das ist völliger Irrsinn, aber wie sagte Mum immer? Spring von …«
    »… spring von einer Klippe, und finde deine Flügel auf dem Weg nach unten«, unterbrach er mich. »Aber deine Mutter war verrückt. Total verrückt. Auch wenn ich alles für sie getan hätte, wie du weißt. Einschließlich von einer Klippe zu springen. Der liebe Gott möge sie schützen. Aber hör mal, warum kommst du nicht vorbei, und wir reden über alles? Oder du redest, und ich höre zu. Darin bin ich echt gut. Und dann schauen wir, ob das alles einen Sinn ergibt. Wie wär’s?«
    Meine Augen füllten sich mit Tränen. »Gut«, sagte ich mit piepsiger Stimme. »Danke, Dad.«
    »Gern geschehen«, sagte er sanft. »Ich habe dich sehr lieb. So wie deine Mum dich auch lieb gehabt hat. Ihr Mädchen bedeutet mir alles.«
    Ich hörte, wie er ins Telefon hineinlächelte.
    »Ich habe dich auch lieb«, antwortete ich und lächelte zurück.

6. Kapitel
    I n der Nacht, bevor meine Mutter starb, und ich an ihrem Krankenbett Wache hielt, erklärte sie mir die Zubereitung der Englischen Crème in klaren, aus ihr heraussprudelnden Worten, während ich auf einem quietschenden Vinylstuhl neben ihr saß. Ich lauschte, als verriete sie mir den Schlüssel zum Glück, was irgendwie auch stimmte.
    »Es ist Zeit, sich zu verabschieden«, hatte mein Vater mir und Daisy auf dem Krankenhausflur erklärt, die Augen rot umrandet, sein ganzer Körper zitterte. »Denn wenn sie dieses Mal einschläft, wird es für immer sein.«
    Daisy, die gerade ihren vierzehnten Geburtstag gefeiert hatte, war auf jeden wütend: auf mich, Dad, die Ärzte und auf Mum. Sie schlug auf einen Kaffeeautomaten ein, rauschte aus der Station hinaus und schrie, sie würde uns alle hassen und keine Minute länger in diesem blöden »Dreckskrankenhaus« bleiben. Dad, erschöpft von den schlaflosen Nächten, lief ihr taumelnd hinterher und bat mich, bei Mum zu bleiben. So ging ich zu ihr, hielt ihre Hand und meinen Atem an und betrachtete sie. Sie war so still und ruhig, wie ich sie noch zuvor gesehen hatte, und schien auf etwas zu warten, irgendwas. Dann öffnete sie plötzlich die Augen und zählte die Zutaten für die Englische Crème auf (Crème double, Vollmilch, Vanilleessenz, Zucker und große Eigelbe) und erklärte mir die Zubereitung.
    »Sie schmeckt himmlisch«, murmelte sie und schloss ihre Augen. »Vergiss das nicht!«
    »Das werde ich nie vergessen«, erwiderte ich und presste meine Nase ganz dicht an ihr Ohr, um sicherzugehen, dass sie mich gehört hatte, während mir die Tränen in die Augen stiegen und in ihr Haar kullerten. »Danke.«
    Danach sprach sie nichts mehr. Auch wenn mein Vater mir gesagt hatte, ich sollte mich von ihr verabschieden, tat ich es nicht. Ich fand ein »Danke« besser. Abgesehen davon wollte ich nicht, dass sie dachte, ich würde irgendwo hingehen. Ich wollte so lange bei ihr bleiben, bis sie genug hatte. Ich blieb an ihrem Bett, hielt sanft ihre Hand und zwang mich, nicht zu weinen. Ich wollte nicht, dass sie sich schuldig fühlte wegen ihres nahenden Todes. Genauso wenig wollte ich ihr das Gefühl geben, mich trösten zu müssen, denn sie war es, die den Trost am ehesten brauchte. Ich wusste, sie fürchtete sich vor dem, was da kommen würde, was immer das auch sein mochte. Ich hatte sie zu meinem Vater sagen hören: »Ich habe Angst, Frankie. Ich habe solche Angst, ohne euch zu sein …«
    Ich wollte nicht, dass sie Angst hatte und sich allein fühlte. Zwei Stunden später, ich war mit dem Kopf auf ihrem Bett eingeschlafen, erklärte mir Dad, ihre Organe hätten aufgehört zu arbeiten, und sie sei gestorben. Ich kroch unter das Bett und schrie so lange, bis eine Krankenschwester kam, die Tür

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