Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)
alter Freund Andy hat da einen Haufen alter Schulstühle an der Hand. Weißt du, solche aus Holz, mit einem Schlitz für Bücher auf der Rückseite. Sie sind billig zu haben. Interessiert?«
»Äh … ja«, meinte ich geistesabwesend. »Danke.«
»Komm her, mein Kind«, sagte Dad. »Du siehst aus, als bräuchtest du eine Umarmung. Ich mache mir Sorgen um dich.«
Ich lächelte, ging hinüber zu ihm, umarmte ihn und lehnte mich an seine Brust. Er roch nach Garten, Erde, Blumen und Sonnenschein.
»Danke, Dad«, sagte ich, richtete mich wieder auf und versuchte, meine Schwermut zu vertreiben. Ich wollte ihm keine Sorgen machen. Er hatte auch schon ohne meine kleinen Problemchen genug Stress in seinem Leben gehabt. »Wen willst du eigentlich mit deiner neuen Kahlschlagfrisur beeindrucken?«
Ich hob eine weiße Haarlocke auf, die neben seinen Füßen auf dem Boden lag und so weiß war, dass sie fast blau erschien. Ich sah hoch zu Dad und wusste, dass er dasselbe dachte wie ich. Wir waren so aufeinander eingestellt, dass wir häufig wie aus einem Mund sprachen. Wir lachten beide. Er fuhr mit der Hand über seinen glatten Schädel und grinste.
»Ich hoffe, dass wenn ich mich genügend für das Gemeinwohl eingesetzt und als guter Mensch erwiesen habe, der liebe Gott mir wohlgesinnt ist und Zutritt durch die Himmelspforte gewährt«, erklärte er trocken.
Ich hörte Daisys Schritte hinter mir auf dem Treppenabsatz vor dem Badezimmer, denen kurz darauf die ihres zweijährigen Sohns Benji folgten.
»Dad!«, rief meine Schwester, tauchte hinter mir auf dem Treppenabsatz auf und drückte mir eine Kaffeetasse in die Hand. »Sprich nicht so! Du bist erst neunundfünfzig. Vorsicht, Benji!«
Ich drehte mich lachend zu meiner Schwester um, die ihre eigene Tasse hochhielt, um den Kaffee nicht zu verschütten, da Benji gerade um ihre Beine herumstrich. Sie sah toll aus in ihrer kurzen Jeans und dem blau-weiß gestreiften T-Shirt. Wie immer. Sie wirkte selbst jetzt, nach einer schlaflosen Nacht mit Benjamin, noch so frisch wie der junge Frühling, als hätte sie gerade ein Glas Rotbäckchensaft getrunken. Ihr Haar war so hell, dass es hätte Wolken reflektieren können, ihre Haut leuchtete perlmuttfarben, ihr Körper war rank und schlank und besaß eine Spannkraft, die normalerweise nur durch stundenlanges Training im Fitnessstudio zu erlangen war. Mein Körper dagegen hatte so viele Kurven, dass man den Überblick verlor.
»Der hier ist für dich«, sagte sie und überreichte mir einen Briefumschlag. »Ich weiß nicht, ob es wichtig ist. Vielleicht solltest du ihnen deine neue Adresse mitteilen, denn immerhin wohnst du seit neun Jahren nicht mehr hier. Nur so eine Idee!«
Die Chocolate Society hatte mir einen Brief an die Adresse meines Vaters geschickt. Ich war dort seit meinem dreizehnten Lebensjahr Mitglied und hatte es immer noch nicht geschafft, ihnen meine neue Adresse bekannt zu geben, zum großen Verdruss von Daisy. Sie war viel besser organisiert, viel erwachsener als ich. Sie würde nie eine Rechnung unbezahlt liegen lassen oder zum Waschsalon gehen, weil die Waschmaschine kaputt war, die Reparatur einem aber wie eine nicht zu bewältigende Aufgabe erschien.
Als wir klein waren, ging sie immer mal wieder durch mein Zimmer und zeigte auf Spielzeuge, die ich aufheben und wegräumen musste. Sie schrieb Listen mit »Aufgaben«, für deren Erledigung ich einen goldenen Stern erhielt. Ich machte mit, aber die goldenen Sterne waren mir völlig egal. Mir war die Schokolade viel wichtiger, die ich aus der Süßigkeitendose unter ihrem Bett stahl. Als sie mich einmal dabei erwischte, schlug sie mir so fest auf den Arm, dass der Abdruck ihrer Hand noch Stunden danach zu sehen war.
»Danke«, sagte ich, nahm den Brief und den Kaffee, trank einen Schluck davon und zuckte zusammen, da ich mir die Zunge verbrannte, weil er so heiß war. Dann kniete ich mich hin und gab Benji einen Kuss. »Wie geht’s dir, kleiner Mann?«
Benji schaute mich mit seinen großen Knopfaugen an, lächelte schüchtern und umarmte mich. Er roch nach Schokoladenkeksen, die, das wusste ich, Dad ihm heimlich zusteckte, wenn Daisy ihn nicht im Blickfeld hatte. Ich strich meinem Neffen über den Rücken, drückte ihn und stand wieder auf, um meiner Schwester einen Kuss auf die Wange zu geben.
»Und, wie geht’s dir?«, fragte ich sie. »Du siehst großartig aus. Wie schaffst du es nur, wie ein Supermodel auszusehen, wenn du den ganzen Tag arbeitest und
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