Ein Mistkerl zum Verlieben
jahrelang nicht gesehen hatte. Das Leben, das sie in New York führte, ganz alleine in einem Appartement, kam ihr im Vergleich dazu traurig vor.
Sie hatte ihrer Mutter und Ihrer Großmutter geholfen, den Abwasch zu erledigen und die Küche sauber zu machen, nachdem das Personal vom Cateringservice Feierabend gemacht hatte.
„ Solltest du dann nicht mal Schluss machen für heute, Mum“, fragte Vicky, während sie die Arbeitsplatte abwischte. „Immerhin hast du morgen einen anstrengenden Tag vor dir!“
“Ach Vicky, ich kann, glaub ich, ohnehin nicht schlafen, so aufgeregt bin ich. Wer hätte gedacht, dass ich irgendwann doch noch einmal heiraten werde?“
Vicky schmunzelte und versuchte, das wehmütige Gefühl in ihr zu verdrängen, dass sich breit machte. Sie war dreiunddreißig und bei ihr war noch lange niemand in Sicht, der sie einmal zum Altar führen würde. Würde das überhaupt jemals geschehen? Im Prinzip war sie mit ihrer Arbeit verheiratet, hatte doch ernsthaft noch nie darüber nachgedacht, in absehbarer Zeit zu heiraten. Andererseits, bei all den schrägen Kerlen, die sie bislang kennen gelernt hatte, war es wohl ohnehin die bessere Alternative, allein zu bleiben.
„ Vicky? Kind, ist alles in Ordnung mit dir?“ Ellen wirkte besorgt.
„ Was? Ja klar, alles bestens!“
„ Du warst so in Gedanken!“
„ Ach, ich bin bloß müde, war ein langer Tag heute!“ Sie lächelte.
Den ganzen Abend über hatte sie nicht die Gelegenheit gehabt, sich mit Mark zu unterhalten. Sie hatte zwar beim Essen neben ihm gesessen, doch auch hier war das Gespräch eher ein Allgemeines gewesen. Alle, zum großen Teil aber ihre Cousinen, schienen interessiert an Mark und fragten ihn regelrecht aus. Vicky war ein klein bisschen eifersüchtig, als Mark sich angeregt mit ihrer Cousine Tiffany unterhielt und ermahnte sich im nächsten Moment, sich am Riemen zu reißen. Es war bestimmt nicht von Vorteil, sich in Mark zu verlieben. Sie hatte sich vorgenommen, eine Freundschaft zu forcieren, nicht mehr, und nicht weniger. Dummerweise glaubte sie, dass es längst zu spät war und sie sich nur noch nicht eingestehen wollte, dass sie sich in Mark dermaßen verliebt hatte, wie sie es seit Jahren nicht mehr der Fall war. Doch was für eine Wahl hatte sie schon? Sollte sie ihm ihre Gefühl offenbaren, und darauf hoffen, dass er sie erwiderte? Doch, wenn ihm etwas an ihr liegen würde, hätte er sich doch nicht so an Tiffany rangemacht, oder? War das eine Masche? War es das, was er immer tat, wenn er Frauen traf? Sie anbaggern und auf ihre Flirtversuche eingehen? Vermutlich. Und was konnte schon schlimmstenfalls passieren? Er würde maximal eine Nacht mit Tiffany verbringen und das war's. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, mit wem Mark schon eine Nacht verbracht hatte, ihre Cousine war da bestimmt nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Bei seinem Verschleiß lag es fast auf der Hand, dass sie einige Mädchen aus seinem Repertoire kannte.
Nachdem auch der letzte Teller verräumt und die letzte Arbeitsplatte gewischt war, trat sie hinaus in die frische Abendluft. Es war eine wunderschöne, laue Sommernacht, wie sie sie so oft als Kind erlebt hatte. Eine sanfte Brise wehte ihr Haar zur Seite und kühlte ihr Gesicht. Mark stand am Geländer der Veranda, während sich die restliche Gesellschaft im Garten verstreut hatte und dort Drinks nahm, und schaute in den Abend. Sie war glücklich, Tiffany nicht in seiner Nähe zu sehen. Obwohl sie sich vorgenommen hatte, die Eifersucht zu verbannen, fiel ihr ein kleiner Stein vom Herzen.
„ Na“, sagte sie und stellte sich neben ihn.
„ Na“, erwiderte er.
„ Hattest du einen schönen Abend oder bereust du es schon, mitgekommen zu sein?“
„ Es war ein wunderbarer Abend. Deine Familie ist nett!“
„ Vor allem Tiffany, hm“, schmunzelte Vicky und biss sich im selben Augenblick auf die Zunge. Diese Aussage hätte sie sich sparen können. Sie wollte doch nicht eifersüchtig sein.
„ Tiffany ist okay. Allerdings ist sie mir etwas zu aufdringlich. Aber deine Familie…die sind großartig. Ich hatte keine Familie, weißt du! Ich meine, ich hatte schon Familie, aber das war nicht so, wie bei dir. Ich habe mit meiner Mum in einer heruntergekommenen zwei-Zimmer-Wohnung gelebt und oft das Gefühl gehabt, dass ich für sie nur Ballast bin, bis ich mit sechs zu meinen Pflegeeltern kam. Sie hat mich mit fünfzehn bekommen und war selber noch ein Kind. Klar, dass ihr das
Weitere Kostenlose Bücher