Ein Mistkerl zum Verlieben
warmen Cappuccinoton gestrichen war. Der Boden war mit einem hellbeigen Teppich ausgelegt. Links von ihm, hinter der Tür, gab es einen Wandschrank und daneben einen großen Schreibtisch mit Briefpapier und einem edlen Schreibset. An der kurzen Seite des Zimmers, rechts, stand ein großes, gemütlich wirkendes Bett. Die Wand gegenüber der Eingangstür wurde von einem großen Fenster und einer Balkontüre dominiert, die hinaus auf einen kleinen Balkon mit weißem Geländer führte. An allen vier Wänden im Zimmer hingen geschmackvolle Bilder. Auf dem Bett war eine zum Wandton passende, schwere Tagesdecke drapiert worden und an der Wand rechts neben dem Bett hing ein Flatscreen an der Wand. Auf einem kleinen weißen Biedermeier-Tischchen neben der Balkontüre stand ein frischer Sommerstrauß in einer bauchigen Glasvase. Ihm war heiß, sodass er die ersten beiden Knöpfe seines weißen Hemdes öffnete. Er schüttelte kurz den Kopf um wieder klar denken zu können. Die Zuneigung, die sich in den letzten Tagen Vicky gegenüber in ihm aufgebaut hatte, war an diesem Abend noch einmal um ein vielfachen größer geworden. Er war etwas verwundert. Für gewöhnlich nahm er Frauen wie sie gar nicht wirklich wahr. Sie waren eben einfach da, doch er konnte sich an keine einzige erinnern, der er jemals einen Blick hinterher geworfen, noch sie zu einem Date eingeladen hatte. Zugegeben, Vicky war ein süßes Mädchen, spielte aber keinesfalls mit den Frauen in einer Liga, mit denen er sich sonst verabredete, was möglicherweise aber auch daran lag, dass Vicky vermutlich noch keine einzige Schönheitsoperation hatte vornehmen lassen. Wahrscheinlich würde man aus ihr einen Diamanten machen können, wenn man hier Wangenknochen herausarbeitete, dort die Nase etwas verkleinerte, etwas Fett absaugte und die Augenlieder etwas anhob. Doch…eigentlich war sie so wie sie war, perfekt. An ihr sollte gar nichts operiert werden. Er öffnete das Fenster und ein kühler Windhauch umspielte ihn. Während er sein Hemd auszog und über den Herrendiener hängte, der sich neben der Eingangstür befand, ließ er den vergangenen Abend noch einmal Revue passieren. Er fühlte etwas, das ihm fremd vorkam. Diese Art von Zuneigung hatte er noch nie für jemanden empfunden, seit er zurückdenken konnte – andererseits war es aber auch gut möglich, dass er sich gerade deswegen so zu Vicky hingezogen fühlte, weil sie sich ihm nicht so an den Hals warf, wie die Frauen, die er sonst traf. Er genoss es, in ihrer Nähe zu sein. Er genoss es, sich nicht verstellen zu müssen und es gefiel ihm, dass sie so anders war, als all die Frauenbekanntschaften, die er bisher gehabt hatte. Er musste ihr keine teuren Geschenke machen und er musste sie nicht mit irgendwelchen Statussymbolen beeindrucken, damit sie sich für ihn interessierte. Bei ihr konnte er einfach so sein, wie er war und sie fand ich trotz all seiner Ecken und Kanten okay.
Er setzte sich aufs Bett, schaltete den Flatscreen an und versuchte, sich auf die Folge der Simpsons zu konzentrieren, die gerade lief, doch seine Gedanken kreisten um Vicky. Ja, es hatte ihn bei ihr wohl ganz schön erwischt und er musste sich eingestehen, dass er sich in sie verliebt hatte. Niemals im Leben hätte er damit gerechnet, dass gerade die unscheinbare Frau von nebenan, im wahrsten Sinne des Wortes, sein Herz so rauben konnte, wie Vicky es getan hatte. Er hätte nichts lieber getan, als hinüber in ihr Schlafzimmer zu gehen, und sei es, um nur neben ihr zu liegen wie in den vergangenen beiden Nächten, doch mit dem letzten bisschen Willenskraft, dass ihm verblieben war, gebot er sich, es nicht zu tun. Er wollte sie nicht überrumpeln und sie so zum Rückzug zwingen. Ihm war aufgefallen, dass auch sie ihm gegenüber nicht mehr ganz so abgeneigt war, wie noch vor einigen Wochen. Und eigentlich war das Gefühl, dass sich in seinem Bauch ausgebreitet hatte, auch reizvoll. Es kribbelte, er war aufgeregt und in Gedanken bei Vicky. Er freute sich auf den nächsten Morgen, wenn er sie wieder sah, wenn er sie küssen konnte und wenn sie in seiner Nähe sein würde. Er stellte den Sleep-Timer des Fernsehers auf neunzig Minuten, schlüpfte unter die Decke und schlief bald darauf ein.
„Ihr habt euch echt geküsst? Und in einem Bett geschlafen habt ihr auch? Du heilige Scheiße!“ Gloria war sichtlich überrascht von der neuesten Wendung, als Vicky nicht mehr länger die Klappe halten konnte und all die Vorkommnisse der
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