Ein Mörder kehrt heim
einen Butterkeks.
Frau Wagner schenkte ein. Filterkaffee. Und im Kännchen Kondensmilch. Der Geschmack der Sechziger. Als Kind hatte er das süÃe Zeug pur getrunken, wenn die Eltern nicht aufpassten.
Twiggy kippte sich eine Ladung Milch in die Tasse und rührte seelenruhig um.
»Da haben Sie es sich aber schön gemacht«, sagte er.
Sie lächelte. »Man gibt sich Mühe, nicht wahr?«
Twiggy nippte. Er nahm gleich zwei Pralinen. »Marzipan, ich liebe es«, sagte er.
Frau Wagner lächelte.
»Das ist ja eine ruhige Ecke. Wie lang wohnen Sie denn schon hier?« Praline Nummer drei.
»Probieren Sie doch auch mal die Kekse. Die da hab ich selbst gebacken.« Fingerzeig auf die Butterkekse.
Twiggy schob sich einen Butterkeks in den Mund. Sein Gesicht verriet himmlisches Entzücken. »Wirklich eine schöne Gegend hier. Haben Sie schon zu DDR -Zeiten hier gewohnt?«
»Ja, mein Mann hat die Wohnung bekommen. 1979. Eine Dienstwohnung.«
»War Ihr Mann ein Kollege von dem Herrn Fendt?«
»Sie wissen, dass Herr Fendt bei der Staatssicherheit war?«
Matti erschrak. Doch Twiggy antwortete seelenruhig: »Das hat er uns erzählt. Reine Hände, kühler Kopf, heiÃes Herz.« Twiggy lachte anbiedernd. »Ein interessanter Mann, der Herr Fendt.«
Frau Wagner lächelte. »Aber auch sehr zurückhaltend, der Nachbar. Mit meinem Mann hat er hin und wieder mehr als zwei Worte gewechselt. Aber mit mir â¦Â« Sie blickte Twiggy betrübt an. »Mein Mann war bei der Kriminalpolizei.«
»Der Herr Fendt lebte schon immer zurückgezogen?« Praline Nummer vier.
Frau Wagner schaute verzückt zu, wie Twiggy mampfte. »Nugat«, sagte er. »Ich liebe Nugat.«
»Seit seine Frau gestorben ist. Sie war anders als er. Lebhaft, wir haben uns oft unterhalten. Und auch ein bisschen geschimpft, wenn es wieder mal was nicht gab in der HO . Heute gibt es alles, aber ich kann vieles nicht kaufen.«
»Wann ist sie gestorben?«, fragte Twiggy, während seine Augen die Pralinenschachtel weiter erforschten.
Frau Wagner überlegte. »1986. Kurz vor Weihnachten. Das war schlimm für ihn.«
»Unbedingt«, sagte Twiggy und entschied sich für Weinbrand in Zartbitterhülle.
»Er hat es sich nicht anmerken lassen. Ging weiter zur Arbeit. Nun, geredet hat er ja nie viel. Aber nun kamen keine Gäste mehr. Sie hatte Freunde gehabt, er nicht.«
»Dann ist der arme Mann ganz allein«, sagte Twiggy.
»Er hat eine Tochter und einen Schwiegersohn. Aber keine Enkel.« Sie seufzte.
»Keine Freunde?«
Sie schüttelte den Kopf. »Obwohl, zuletzt sind immer mal wieder Leute gekommen.«
»Dann hat er doch noch Freunde gefunden«, sagte Twiggy und vollstreckte das Todesurteil für eine Eierlikörpraline.
»Ob das Freunde waren, ich weià nicht.«
»Vielleicht Verwandte?«
»Nein, dann wären die doch nicht erst jetzt aufgetaucht.«
»Waren es denn so viele Leute?«
»Vier oder fünf. Eine Frau war auch dabei.«
»Und die sind immer zusammen gekommen?«
»Manchmal, aber auch einzeln.«
»Wann zuletzt?«
Frau Wagner blickte Twiggy nachdenklich an. »Warum interessiert Sie das eigentlich so?«
»Wir hatten ein sehr freundliches, ja freundschaftliches Gespräch mit Herrn Fendt. Da macht man sich so seine Gedanken.«
»Jetzt hab ich so viel über ihn erzählt«, sagte sie. Ein ängstlicher Blick zu Twiggy.
»Wir sagen ihm nichts. Das bleibt doch unter uns!« Eine Vollmilchpraline ging den Weg der Opfer.
Sein Handy vibrierte. Er nahm das Gespräch an. »Schulze.« Er hörte zu und nickte. »Dann müssen wir da heute noch hin. Notfall ist Notfall.« Er klickte die Verbindung weg und sagte. »Tja, Herr Kollege. In dreiÃig Minuten am Senefelderplatz.«
»Aber trinken Sie doch noch aus«, sagte sie.
Matti leerte die wässrige Brühe. Twiggys Hand stieà in die Kiste und erleichterte sie um eine Bittermandel- und eine Schwarzwälder-Kirsch-Praline. Er trank seinen Kaffee aus und stopfte sie in den Mund. »Die Pflicht ruft!«
Sie verabschiedeten und bedankten sich. Dann griffen sie sich ihre Sachen im Flur, während Frau Wagner in der Tür des Wohnzimmers blieb und sie beobachtete.
Matti öffnete die Wohnungstür, blickte hinaus und drückte sie gleich wieder zu. »Ob ich vielleicht doch noch
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