Ein mörderischer Sommer
recht.
»Wahrscheinlich ist es gar nichts, aber ich dachte – vielmehr, meine Mutter dachte –, daß ich vielleicht doch besser ein paar Tage im Bett bleibe.«
»Hast du die Ergebnisse der Blutuntersuchungen bekommen?«
»Ja. Negativ. Alles in Ordnung. Aber meine Mutter ist immer noch nicht zufrieden. Sie verabredet jetzt noch einen Termin mit ihrem Kardiologen.«
»Sag mir, wann du da hinmußt. Ich fahre dich.«
»Danke. Ich gehe jetzt besser wieder ins Bett. Mommy schimpft schon.«
»Okay. Ich rufe dich an, wenn ich wieder daheim bin.«
»Viel Spaß bei der Tennisstunde.«
»Vielen Dank.«
»Sie haben eine starke Rückhand, Mrs. Hunter«, erklärte Steve Henry ganz begeistert. »Sie müssen nur noch lernen, aggressiver zu werden.« Er lächelte. »Sie müssen Ihren Körper mehr einsetzen. Laufen Sie dem Ball entgegen. So, schauen Sie mal!« Er stellte sich hinter sie und führte ihr den Arm. Er zog ihn über ihre linke Körperseite und ließ ihn dann nach vorn schwingen, um den imaginären Ball zu treffen. »Das machen Sie sehr gut, Mrs. Hunter. Entspannen Sie sich! Sie sollen doch Spaß an der Sache haben!«
Joanne lächelte und warf einen verstohlenen Blick auf ihre Uhr, um zu sehen, wie lange der Unterricht noch dauerte. Sie war müde; die Beine und der rechte Arm taten weh, die Sonne stach ihr in die Augen, und das neue weiße Tenniskleid war durchgeschwitzt. Sieht der denn nicht, daß ich eine alte Dame bin? dachte sie.
»Voll durchziehen, Mrs. Hunter«, drang es von der anderen Seite des Netzes zu ihr hinüber. »Voll durchziehen!«
Von was redet der überhaupt? fragte sich Joanne. Was will dieser Mensch von mir? Du kannst das nicht verstehen, du bist zu jung. Deine Generation glaubt, sie kann alles haben. Aber ich bin aus einer Generation, die alles falsch gemacht hat. Als ich erwachsen wurde, war es nicht in Mode, daß Mädchen klug oder unabhängig wurden. Mädchen waren angehalten, ihren Männern Mut zu machen. Und ich machte das ganz hervorragend! Jetzt bin ich zu alt, um neue Regeln zu lernen. Wütend schlug sie nach einem auf sie zufliegenden Ball, verfehlte ihn und landete hart auf dem Hintern.
Sofort war Steve Henry bei ihr. »Haben Sie sich weh getan?« Er packte sie unter den Achseln und half ihr auf. »Voll durchgezogen haben Sie diesmal – aber den Ball dabei nicht angesehen!«
»Das lerne ich nie.« Sie wischte den Sand von ihrem Tenniskleid.
»Vielleicht wäre es gut, wenn Sie sich einen neuen Schläger mit übergroßer Schlagfläche kaufen würden. Das würde Ihr Spiel enorm verbessern.«
»Ich habe nicht vom Tennis gesprochen«, erklärte sie, »sondern vom Leben.«
Er lachte. »Wollen Sie kurz Pause machen? Wir haben noch zehn Minuten.«
»Mir reicht's. Ich bin zu alt dafür.«
»Zu alt? Sie haben die besten Beine von allen Frauen in diesem Club.« Er hatte es leicht dahingesagt wie eine einfache, unbestreitbare Tatsache. Joanne fühlte sich rot werden.
»Wie alt sind Sie denn?« fragte er.
Joanne holte tief Atem und sprach es ganz langsam aus. »Einundvierzig.«
»Sie sehen zehn Jahre jünger aus. Ihr Mann ist ein Glückspilz«, sagte Steve Henry. Er öffnete die Gittertür und trat einen Schritt zurück, um sie vorausgehen zu lassen.
»Er ist kein Bein-Typ«, hörte sie sich erwidern. Sie traute ihren Ohren kaum. Warum hatte sie das jetzt gesagt? Eve hätte das gesagt.
»Dann ist er ein Dummkopf«, meinte Steve Henry und beendete damit das Thema. »Das hier haben Sie auf dem Platz vergessen.« Er zog Joannes blaue Sonnenbrille aus der Hosentasche und gab sie ihr. »Bis nächste Woche.«
11
»Ich bekam heute nachmittag einen Anruf, nachdem ich heimgekommen war«, verkündete Joanne ihrer älteren Tochter, die am anderen Ende des Tisches saß. Robin schürzte die Lippen, zwischen denen einige Spaghetti hingen, und betrachtete ihre Mutter mit einer Mischung aus Neugierde und Verärgerung. »Ich nehme an, du weißt, um was es sich handelt.«
Robin holte tief Luft und zog die Spaghetti langsam in den Mund. Dann kaute sie einige Sekunden lang, schwieg und starrte gleichgültig auf ihren Teller.
»Robin …«
»Warum sollte ich darauf etwas sagen«, fragte Robin. »Du kennst die Antwort doch längst.«
»Ich würde sie gerne von dir hören.«
»Was ist denn los?« fragte Lulu. Ihr Blick wechselte hin und her zwischen ihrer Mutter und ihrer Schwester.
»Halt den Mund!« geiferte Robin ihre Schwester an.
»Halt du doch den Mund!« gab Lulu zurück.
»Kinder,
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