Ein mörderischer Sommer
verkündete Robin und hakte sich bei Scott ein.
»Um eins bringe ich sie nach Hause, Mrs. Hunter«, versicherte Scott. »War nett, Sie kennenzulernen. Dich auch, Lulu.«
»Gefällt er dir?« fragte Joanne ihre jüngste Tochter, als die Haustür ins Schloß gefallen war.
»Er ist süß. Den verdient Robin überhaupt nicht. Na ja. Heute abend kommt ein guter Film im Fernsehen. Schaust du ihn mit mir an?«
Joanne folgte ihrer Tochter die Treppe zum Hobbyraum hinunter. Lulu ließ sich sofort in den grauen Ledersessel fallen, während Joanne hastig die Jalousien an den Fenstern und der gläsernen Schiebetür herabließ. Draußen war es noch hell, aber sie wollte nicht, daß irgend jemand in den Raum hineinsehen konnte. »Wie heißt denn der Film?« fragte sie und setzte sich auf eines der zwei grauen Cordsamtsofas, die in der Mitte des großen Zimmers im rechten Winkel zueinander standen.
»Invasion der Leichenräuber« , antwortete Lulu.
»Das ist doch wohl ein Witz!«
»Der Film soll toll sein.«
»Ich bin überzeugt davon, daß er ganz wundervoll ist. Ich glaube allerdings nicht, daß ich heute abend in der Verfassung bin, mir so etwas anzusehen. Gibt es denn nichts anderes?«
»Mom …« Joanne sah ein, daß es sinnlos war, darüber zu diskutieren. Der Film hatte bereits begonnen.
»O nein!« schrie Lulu. »Er ist in Schwarzweiß!«
»Ist eben das Original.«
»Ich will nicht das Original sehen, ich will einen Farbfilm sehen!«
»Das Original soll besser sein, habe ich gehört«, erklärte Joanne. Sie versuchte, sich zu erinnern, wer das gesagt hatte. Eve, natürlich. Sie starrte auf das Bücherregal an der gegenüberliegenden Wand, als ob sie durchsehen könnte zum Nachbarhaus. Wie es wohl Eve ging?
Eve und Brian hatten das Haus kurz nach ihrer Hochzeit vor sieben Jahren gekauft. Eves Mutter hatte ihnen das Geld gegeben und steckte ihnen auch jetzt noch immer mal wieder ein paar Dollars zu, damit sie sich kleine Extras leisten konnten. Das hatte Eve ihrer Freundin anvertraut und sie schwören lassen, es niemandem zu erzählen. Brian würde sich gedemütigt fühlen, wenn er erführe, daß ein Außenstehender wußte, daß er von seiner Schwiegermutter finanziell unterstützt wurde. Und Joanne hatte es auch wirklich niemandem erzählt, nicht einmal Paul.
»So einen alten Film will ich nicht sehen«, verkündete Lulu und betätigte die Fernbedienung. Mechanisch ging sie alle Programme durch.
»Könntest du bitte damit aufhören?« bat Joanne ihre Tochter.
»Also gut, schauen wir uns diesen Film hier an.«
Es handelte sich um einen Film mit Kevin McCarthy und Dana Wynter, der sich als sehr spannend erwies. Als er zu Ende war, ging Lulu brav ins Bett. »Gute Nacht, mein Schatz«, sagte Joanne. »Schlaf gut!«
Schon auf dem Weg ins Schlafzimmer begann sie sich auszuziehen. Die letzten Kleidungsstücke legte sie ab, als sie gerade die mittlere Schublade der Kommode öffnete und ihr weißes Baumwollnachthemd zu suchen begann. Ihr fiel ein, daß es in der Wäsche war. Ihre Hand berührte ein altes T-Shirt von Paul, das zerknautscht ganz hinten in der Schublade lag. Sie nahm es heraus und zog es an sich und fühlte, wie es ihren Körper leicht umarmte, tröstend. Sie drehte sich zum Bett um und schrie.
Lulu, die an der Tür stand, schrie auch und lief in die Arme ihrer Mutter. »Ist ja gut«, sagte Joanne zwischen Lachen und Weinen. »Du hast mich nur so erschreckt!«
»Kann ich heute bei dir schlafen?« fragte das Mädchen weinerlich. Joanne nickte.
Wieder fiel ihr auf, wie leer ihr das große Bett in den letzten Wochen vorgekommen war. Es war schön, jemanden neben sich liegen zu haben. Sie beugte sich hinüber und küßte Lulu auf die Stirn. »Gute Nacht, Liebling.«
»Mom«, fragte die kleine Stimme in der Dunkelheit, »findest du, daß ich dick bin?«
»Dick? Soll das ein Witz sein?«
»Robin sagt, daß ich dick bin.«
»Robin sagt viel. Du darfst nicht alles glauben.«
Einige Minuten später hörte Joanne die leisen, regelmäßigen Atemzüge ihrer Tochter. Sie selbst wachte immer wieder auf, bis sie um zehn vor eins Robin nach Hause kommen hörte. Erst danach gelang es ihr, einzuschlafen.
Das Telefon klingelte.
Joanne schrak auf und griff zum Hörer. Lulu drehte sich um, wachte jedoch nicht auf. »Hallo«, flüsterte Joanne. Ihr Herzschlag überdröhnte ihre Stimme.
»Mrs. Hunter«, neckte der Anrufer. Sofort war Joanne hellwach. »Haben Sie geglaubt, ich würde Ihre neue Nummer nicht
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