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Ein mörderischer Sommer

Titel: Ein mörderischer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fielding Joy
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zu dem anderen Bett, sah den alten Sam Hensley alleine daliegen. Seine Augen waren mit Tränen gefüllt. »Mr. Hensley«, sagte Joanne leise, »ist alles in Ordnung mit Ihnen? Haben Sie Schmerzen?« Langsam wandte der alte Mann den Kopf in ihre Richtung. »Soll ich die Schwester rufen?«
    Sam Hensley schwieg. Aber während er Joanne weiterhin anstarrte, ging in seinem Gesicht eine Veränderung vor sich: Aus Neugierde wurde Gleichgültigkeit, dann Feindseligkeit und schließlich Haß – so starker Haß, daß Joanne sich buchstäblich zurückgeworfen fühlte, als hätte man sie weggestoßen. Lange, knochige Finger streckten sich ihr entgegen, wie um ihren Hals zu umklammern, und ein dumpfes Wimmern erfüllte plötzlich den Raum.
    »Mein Gott, der ist ja schlimmer als die Alarmsirene«, rief Robin nervös. »Wieso hat er denn damit angefangen?«
    »Ich habe ihn bloß gefragt, ob alles in Ordnung ist mit ihm.«
    Das Wimmern wurde stärker. Bewegungslos lag Sam Hensley in seinem Bett, die Arme ausgestreckt, die Augen weit geöffnet, der Blick starr. Im nächsten Moment hatte sich das Zimmer mit Schwestern gefüllt. Joanne sah eine Spritze aufblitzen. Sie drehte sich zu ihrem Großvater um. Wie meistens schlief er und nahm keine Notiz von dem Lärm um ihn herum. »Gehen wir endlich, Mom«, flehte Robin und zog sie am Arm.
    »Vielleicht könnten Sie für ein paar Minuten das Zimmer verlassen«, schlug eine der Schwestern vor, während sie einen Vorhang um Sam Hensleys Bett zog. »Er wird manchmal so. Es dauert nicht lange, ihn ruhigzustellen, dann können Sie wieder reinkommen.«
    Schweigend nickte Joanne und führte ihre Töchter aus dem Zimmer. Sie gingen den Korridor hinunter. Im Besucherzimmer standen Sam Hensleys Tochter und sein Enkelsohn. Marg Crosby rauchte gerade eine Zigarette, während ihr Sohn auf den Bildschirm eines Schwarzweißfernsehers starrte, der dort an der pfirsichfarbenen Wand aufgestellt war. Joanne ging zu der Frau und erzählte ihr, was geschehen war.
    Marg Crosby zuckte mit den Achseln und rauchte ihre Zigarette zu Ende. »Das ist schon oft passiert«, sagte sie. »Kommst du, Alan?« Nur widerwillig löste sich der Blick ihres Sohnes vom Bildschirm. »Alan?« wiederholte sie.
    Er wandte sich zu seiner Mutter um, aber sofort sahen seine Augen an ihr vorbei, vorbei auch an Joanne, hin zu irgend etwas dahinter, und ein leises Lächeln spielte um seine Lippen. Joanne und Marg Crosby drehten sich neugierig um und sahen Robin, die, mit scheu niedergeschlagenen Augen, ein ebenso leises Lächeln auf ihren übertrieben geschminkten Lippen hatte.
    »Es wird Zeit, daß wir heimfahren«, sagte Joanne, legte ihren Töchtern je einen Arm um die Schulter und lenkte sie in Richtung Aufzug.
    »Ma'am?« fragte eine Stimme hinter ihr.
    Joanne sah sich nach einer Dame um, auf die diese Anrede paßte, und erkannte, daß sie selbst die Angesprochene war.
    Einige Schritte, bevor er sie erreicht hatte, stoppte Alan abrupt. »Sind das Ihre?« fragte er und hielt ihr einen Schlüsselbund vors Gesicht.
    Joanne fühlte das plötzliche Gewicht der Schlüssel, als der Junge sie in ihre Hand gleiten ließ. »Wo habe ich sie denn diesmal liegengelassen?«
    »Auf einem Tisch im Besucherzimmer«, antwortete Alan Crosby und lächelte – wieder knapp an ihr vorbei, dorthin, wo Robin stand.
    »Danke schön«, sagte Joanne und sah zu, wie er wegging. Sie drehte sich zu ihren Töchtern um.
    Joanne machte sich Sorgen, Sorgen um den deprimierenden Zustand ihrer Freundin Eve, um ihr beinahe alarmierendes Aussehen. Eve hatte sich stets große Mühe gegeben, wenn nicht spektakulär, so doch dramatisch zu wirken. Das einzig Dramatische an der Frau, die Joanne jetzt gegenübersaß, war die Tatsache, daß sie Milch trank – seit Jahren hatte Joanne Eve nicht mehr Milch trinken sehen. Im Augenblick wirkte sie wie die typische Vorstadt-Hausfrau: Pantöffelchen, ungewaschene Haare, alter blauer Bademantel, unbeschreiblich müde Augen. Eve war nie ein Mensch gewesen, der sich beklagte, der sich von einer Krankheit unterkriegen ließ. Jetzt schien sie es geworden zu sein. Es beunruhigte Joanne, ihre Freundin, die immer die Stärkere gewesen war, vom Leiden so gezeichnet zu sehen. Sie betete, die Ärzte möchten herausfinden, was genau ihrer Freundin fehlte, und sie dann schnell heilen. Plötzlich bemerkte sie, wie ein seltsamer Ausdruck über Eves Gesicht flog. »Eve? Stimmt etwas nicht? Hast du wieder stärkere Schmerzen?«
    »Es ist keine

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