Ein mörderischer Sommer
sie hinzu und versuchte zu lachen, weil sie selbst noch nicht genau wußte, worauf sie hinauswollte, »der Vorstadtwürger kann ja wohl kaum eine Frau sein.«
»Weißt du da etwas, was wir noch nicht wissen?« fragte er.
Joanne war sich nicht sicher, ob er es ernst meinte oder nicht.
»Ich verstehe nicht ganz«, stotterte sie. »Ich habe gelesen, daß die Opfer des Vorstadtwürgers vergewaltigt wurden.«
»Du hast gelesen, daß sie sexuell mißbraucht wurden. Das ist ein Unterschied.«
»Ich verstehe nicht ganz«, wiederholte Joanne.
»Ich fürchte, detaillierter kann ich es dir nicht erklären.«
»Soll das heißen, daß der Killer eine Frau sein könnte?«
»Das ist sicherlich eine sehr unwahrscheinliche Möglichkeit; sie müßte außergewöhnlich stark sein. Aber viele Frauen betreiben heutzutage Bodybuilding und Gewichtheben. Wer weiß? Möglich ist alles. Außerdem, von wem auch immer du diese Anrufe bekommst, er oder sie muß ja nicht unbedingt der Killer sein. Wahrscheinlich ist es jemand, der nicht ganz richtig im Kopf ist und jetzt ausflippt, und das könnte sehr gut eine Frau sein.«
»Eve sagt, Frauen belästigen andere Frauen nicht mit obszönen Anrufen.«
»Eve sagt viel«, erwiderte Brian etwas geheimnisvoll. Er näherte sich ihr von hinten und schlang seine Arme um ihre Schultern – eine tröstlich gemeinte Geste. »Mach dir keine Sorgen. Ich spreche mit meinem Lieutenant darüber, mal sehen, ob wir nicht jemanden bekommen können, der in regelmäßigen Abständen an deinem Haus vorbeifährt. Und natürlich werde auch ich meine Augen offenhalten.«
»Danke«, sagte Joanne. Sie fühlte, daß es Zeit war, heimzugehen, aber sie genoß die Sicherheit, die diese sie umschlingenden Männerarme ausstrahlten. Sie tätschelte Brians behaarte Handrücken. »Dafür wäre ich dir sehr dankbar.«
»Sei vorsichtig«, riet er ihr einige Sekunden später, als er sie zur Haustür brachte.
»Sag Eve, daß das Essen hervorragend war und daß ich sie morgen anrufe.«
»Mach' ich«, sagte er und sah ihr dann nach, wie sie die Abkürzung über seinen Rasen hinüber zu ihrem nahm und die Stufen ihres Hauses hinauflief.
Sie winkte ihm zu und suchte mit der anderen Hand in ihrer Tasche nach den Schlüsseln. »Wo sind sie bloß?« murmelte sie. »Verdammt, ich muß sie bei Eve liegengelassen haben.« Sie blickte zurück, dorthin, wo Brian gerade noch gestanden hatte, aber er war schon ins Haus zurückgegangen und hatte die Tür geschlossen. Sie überlegte, ob sie zurücklaufen sollte. »Ach was, ich hole sie morgen«, beschloß sie, drückte auf den Knopf der Türklingel und wartete. Dabei suchte sie mit den Blicken sorgfältig die dunkle Straße ab. »Ein Auge wird er auf das Haus werfen«, murmelte sie und sah zu Eves Haus hinüber. Am Fenster des kleineren Schlafzimmers, das nach vorne lag, hatte sich ganz kurz etwas bewegt. »Los, Lulu, wo bist du denn?« Noch einmal drückte sie auf den Klingelknopf. Sie hörte das Läuten.
Plötzlich ertönte eine laute Stimme aus der Dunkelheit heraus. »Wer ist da?« brummte die Stimme. Joanne fühlte, wie sich ihre Nackenmuskeln schmerzhaft verhärteten, während sie vor Angst erschauderte. »Mein Gott!« schrie sie. Es war Lulus Stimme, und sie kam aus dem kleinen Kasten neben der Türklingel – Teil der neuen Sprechanlage, die erst vor kurzem eingebaut worden war.
»Ich bin's, Mommy«, antwortete sie. Ihr Herz schlug wie wild.
»Wo ist denn dein Schlüssel?« fragte das Kind, während es die Tür öffnete und zurücktrat, den Blick dabei beständig gesenkt.
Joanne mußte sie nur ansehen, um zu wissen, daß irgend etwas nicht stimmte.
16
»Was ist los?« fragte Joanne sofort.
Lulu schüttelte den Kopf und wandte sich ab. »Nichts«, murmelte sie.
Joanne streckte den Arm aus und faßte ihre Tochter an der Schulter. Langsam drehte sie das unwillige Mädchen herum und hob mit sanften Fingern sein Kinn. »Sag schon!« Lulu trat von einem Bein aufs andere, sah hin und her und vermied den durchdringenden Blick ihrer Mutter. »Was ist denn, Lulu? Was ist passiert?« Ganz kurz trafen sich ihre Blicke, bis Lulus Augen sich wieder auf die Wände richteten. Sie öffnete den Mund, als ob sie gleich zu sprechen beginnen würde, schwieg aber. »Hat jemand angerufen?« fragte Joanne und hielt den Atem an.
»Nein«, sagte Lulu, offensichtlich überrascht von der Frage. »Wer soll schon anrufen?« Wieder begann ihr Körper sich rhythmisch vor und zurück zu wiegen.
»Lulu,
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