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Ein mörderischer Sommer

Titel: Ein mörderischer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fielding Joy
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könntest nie Muskeln kriegen«, sagt sie und beobachtet, wie sein Grinsen immer breiter wird.
    »Was? Was sagst du da?«
    »Du hast mir mal erzählt, deine Arme seien deshalb so dünn, weil du als Junge hingefallen bist und sie dir mehrfach gebrochen hast, und deshalb würden sie sich nie so entwickeln wie sonst bei Männern.«
    »Das habe ich nie gesagt!« protestiert er. Seine lachenden Augen verraten ihn.
    »Doch!«
    »Na ja, ich habe mir die Arme wirklich ein paarmal gebrochen, das ist schon wahr, aber das hat nichts mit den Muskeln zu tun.« Er nippt an seinem Kaffee. »Aber ich habe das dir gegenüber behauptet, was?«
    »Das war eines der Dinge, derentwegen ich mich in dich verliebte«, sagt Joanne leise. Sie ist sich nicht sicher, ob sie schon zu verwegen war, zu weit gegangen ist. Er sieht sie fragend an. »Es war das eine Loch in der Rüstung«, erklärt sie, nachdem sie sich entschlossen hat, gleich alles zu sagen. Das unerwartete Eingeständnis scheint ihn zu interessieren, er wirkt sogar geschmeichelt. »Du warst dir bei allem, was du gemacht hast, bei allem, was du machen wolltest, immer so sicher. Du hast so gut ausgesehen … siehst so gut aus«, verbessert sie sich und kehrt dann sofort wieder zur behaglicheren Vergangenheit zurück, »aber du hattest keine Muskeln, und ich fand das immer seltsam. Die meisten Jungen deines Alters hatten Muskeln, und eines Tages, wir müssen gerade darüber gesprochen haben, hast du mir von den Armbrüchen erzählt. Und plötzlich bist du mir so verletzlich erschienen, daß ich mich in dich verliebt habe.« Sie grinst. »Und jetzt sagst du mir, daß es gar nicht gestimmt bat!« Ihre Blicke begegnen sich, jeder sieht in den Augen des anderen das Spiegelbild der eigenen Jugend. Schnell senkt Joanne den Blick und starrt auf ihren Kaffee.
    »Also, ich war mir meiner Sache immer sehr sicher, ja?« fragt er.
    »Immer.«
    »Ziemlich unangenehm wahrscheinlich.«
    »Mir gefiel es. Ich war immer das genaue Gegenteil.«
    »Du hast dein Licht stets unter den Scheffel gestellt. Das tust du heute noch.«
    »Eve sagt das auch.«
    Paul trinkt seine Tasse aus und gibt dem Kellner ein Zeichen, daß er nachgeschenkt bekommen möchte.
    »Du kannst stolz auf dich sein, Paul«, fährt Joanne fort. »Du bist ein guter Rechtsanwalt.«
    »Ich bin ein hervorragender Rechtsanwalt«, korrigiert er sie und schafft es, dabei nicht allzu angeberisch zu klingen.
    »Wo liegt dann das Problem?«
    Er schaut sich im ganzen Raum um, als könne er dort die richtigen Worte finden, dann richtet er den Blick wieder auf Joanne. »Im College erzählen sie dir, daß nicht jeder, den du vertrittst, unschuldig ist. Außerdem erzählen sie dir, daß es nicht deine Aufgabe ist, herauszufinden, ob einer schuldig oder unschuldig ist. Das machen der Richter und die Geschworenen. Die einzige Aufgabe eines Rechtsanwalts ist es, den Klienten so gut wie irgend möglich zu verteidigen. Was sie dir nicht sagen – oder vielleicht sagen sie es, aber in deinem jugendlichen Idealismus hörst du es nicht – daß deine Vorgehensweise, die sich im Lauf der Zeit herausbildet, unweigerlich deine eigene Persönlichkeit widerspiegelt, daß du dazu tendierst, Klienten anzuziehen, die dir auf vielleicht vielfältigere Weise, als du zugeben willst, ähnlich sind. Ich kann das nicht so gut erklären …«
    »Ich finde, daß du es sehr gut erklärst.«
    »Viele Leute, die in meine Kanzlei kommen … Ich weiß nicht«, er stockt, dann spricht er weiter. »Manchmal bin ich wirklich stolz auf das, was ich tue, ich meine, es gibt Dinge, die ich getan habe und auf die ich sehr stolz bin, weil ich weiß, daß niemand sie besser hätte tun können, aber dann gibt es Zeiten, da hat man einen Klienten, von dem man weiß, daß er das Blaue vom Himmel herunterlügt, und dann soll man da reingehen und diesen Idioten verteidigen …«
    »Obwohl du weißt, daß er lügt.«
    »Ja – und nein. Wenn du davon überzeugt bist, daß er lügt, ist die Antwort nein, denn dann kannst du ihn unmöglich so gut wie möglich verteidigen, wie es ihm von Rechts wegen zusteht. Aber es ist so einfach, dir selbst einzureden, daß du dich irren könntest, daß du schließlich nicht der Richter oder die Jury bist, daß der Idiot – verdammt noch mal – tatsächlich die Wahrheit sagen könnte, vor allem wenn dabei ein schönes fettes Honorar rausspringt.«
    »Und hast du dir das immer eingeredet?«
    »Ich weiß nicht.« Er trinkt die zweite Tasse Kaffee aus.

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