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Ein mörderischer Sommer

Titel: Ein mörderischer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fielding Joy
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welchem Grund er auch immer anruft – Joanne glaubt, er will ihr sagen, daß die Mädchen sicher abgefahren sind –, das Gespräch soll nicht verdorben werden. Sie will ihn nicht dadurch verärgern, daß sie ihm die Wahrheit erzählt, nämlich daß sich nichts verändert hat, außer zum Schlechteren. Sie will nicht, daß er glaubt, sie rechne mit seinen Schuldgefühlen und versuche ihn an sich zu binden. Paradoxerweise, denkt sie, hat sie nur dann eine Chance, ihn zurückzubekommen, wenn sie ihm beweist, daß sie ihn nicht mehr braucht. Und das gerade jetzt, wo sie ihn so sehr braucht.
    »Joanne, bekommst du noch immer diese Drohanrufe?« fragt er noch einmal.
    »Nein«, sagt sie schnell. »Es ist nur einer, der mich wegen eines Theaterabonnements nervt.«
    Er glaubt die Lüge sofort. »Dann ist es ja gut. Ich habe schon mal angerufen. Du warst nicht zu Hause.«
    »Ich bin spazierengegangen. Dann war ich bei meinem Großvater. Sind die Mädchen gut losgekommen?«
    »Alles ist völlig planmäßig verlaufen.«
    »Hat Robin irgend etwas gesagt?«
    »Nur auf Wiedersehen. Sie werden jetzt wirklich erwachsen. Kannst du dich noch erinnern, wie dein erster Tag im Sommerlager war?« fragte er plötzlich.
    »Ich bin nie ins Lager gefahren. Wir hatten doch das Sommerhäuschen.«
    »Ach ja, stimmt. Glaubst du, den Mädchen ging etwas ab dadurch, daß wir kein Sommerhaus hatten?« fragt er nach einer kurzen Pause. Joanne ertappt sich dabei, wie sie in den Garten hinausstarrt, auf ihr leeres, unvollendetes ›Sommerhaus ohne Verkehr‹. Hätte es einen Unterschied gemacht?
    »Die Mädchen waren immer gern im Sommerlager«, antwortet sie, unsicher, was sie sonst sagen soll. Sie ist gespannt, wohin dieses Gespräch führen wird. Weiß er auch nicht so recht, was er tun soll, so wie sie, jetzt, wo die Mädchen weggefahren sind?
    »Bei diesen Kosten tun sie gut daran, gern dort zu sein! Das ist ja wie zwei Monate in einem exklusiven Kurort. Zu meiner Zeit war das anders. Wir schliefen in Zelten, in Schlafsäcken, Mensch!«
    »Das stimmt nicht! Ich habe die Fotos von deinem Lager gesehen, die wunderschönen Blockhütten, und ich erinnere mich, daß deine Mutter sich beklagt hat über die hohen Preise, genau wie du jetzt.«
    Er lacht laut und locker. »Ich glaube, du hast recht. Ich muß das mit den Kanufahrten verwechselt haben.«
    Wieder eine lange Pause. »Paul …?« fragt Joanne, hat das Schweigen gebrochen, verfällt ihm aber sofort wieder.
    »Ja?«
    Wartet er, daß sie beginnt? Daß sie den Vorschlag macht, sich zu sehen? Ist es das, was er will? Es ist das, was sie will, wird ihr klar. Sie überlegt, wie eine solche Bitte am besten zu formulieren ist. Hast du Lust, auf einen Plausch rüberzukommen? hört sie sich selbst fragen, aber die Frage bleibt unausgesprochen. Willst du wieder nach Hause kommen? Willst du, daß ich das sage? Ich will es sagen, weiß Gott. Aber etwas hält sie davon ab – die Gewißheit, daß er ihr diese Bitte abschlagen wird, wie er es früher schon getan hat. Sag mir, was ich zu diesem Mann, mit dem ich seit zwanzig Jahren verheiratet bin, sagen soll. Ich habe immer geglaubt, ich könnte ihm alles sagen.
    In ihrem Kopf wirbeln Gedanken und Bilder herum. Sie sieht ihren Mann am Küchentisch sitzen, er trinkt seinen Morgenkaffee und schimpft über die Kanzlei. Sie spürt ihn neben sich, sein Atem strömt warm gegen ihren Nacken, seine Arme umschlingen ihre Taille. Dann fühlt sie andere Arme um ihren Hals, hört die bekannte krächzende Stimme.
    »Joanne?« fragt Paul.
    »Ja, entschuldige, hast du etwas gesagt?«
    »Nein. Du wolltest mich etwas fragen?«
    »Habe ich eine Lebensversicherung?« Die Frage überrascht sie selbst ebensosehr wie ihn.
    Einen Augenblick lang herrscht Schweigen. »Nein«, antwortet er. »Aber ich bin hoch versichert. Warum?«
    »Ich finde, ich sollte eine haben.«
    »Gut«, erklärt er sich gleich einverstanden, »wenn du unbedingt willst. Ich könnte einen Termin mit Fred Normandy für dich vereinbaren.«
    »Dafür wäre ich dir dankbar. Ich halte dich jetzt besser nicht mehr auf.«
    »Joanne?« fragt er.
    »Ja?«
    Stille, dann, beinahe schüchtern: »Hast du heute abend schon etwas vor?«
    Sie ist nervöser als jemals zuvor in ihrem Leben, nervöser als bei ihrem ersten Rendezvous, wenn das überhaupt möglich ist. Seit zwei Stunden richtet sie sich her. Sie hat sich in der Badewanne beinahe aufgeweicht, ihre Nägel lackiert, dann noch einmal neu lackiert, sich die Haare

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