Ein mörderischer Sommer
ertönen die Sirenen, klingen durch das ganze Viertel, bis zur nächsten Polizeiwache.
Joanne weiß nicht, ob sie verärgert oder erleichtert sein soll.
Dies ist das drittemal, daß sie einen falschen Alarm ausgelöst hat – diesmal wird sie fünfundzwanzig Dollar Strafe zahlen müssen. Aber wenigstens ist sie noch am Leben und kann es zahlen, denkt sie und wird mutiger, tritt auf die Terrasse hinaus, um sich ihrem grinsenden Feind zu stellen. Bestimmt ist er nicht so dumm, daß er jetzt noch etwas versucht.
Sein Grinsen wird immer breiter, während sie sich ihm nähert. »Vergessen abzuschalten?« fragt er, obwohl die Antwort völlig offensichtlich ist.
»Ich schalte den Alarm jede Nacht an, bevor ich zu Bett gehe«, erklärt sie – warnt sie? »Was machen Sie hier?«
»Ich war gerade in der Gegend«, antwortet er locker und nimmt die Hände von den Hüften. »Ich dachte mir, ich schaue mal nach, ob sich irgendwas getan hat.«
»Nicht das geringste.« Joanne fragt sich, ob diese Unterhaltung wirklich stattfindet. Möglicherweise ist es ein Traum. Es ist wie ein Traum, mit den jaulenden Sirenen überall. Sie weiß, daß sie hineingehen und den Alarm abschalten müßte. Aber die Sirenen garantieren ihr Sicherheit, und sie beschließt, sie anzulassen. Die Polizei kommt auf jeden Fall, egal, ob sie den Alarm nun abschaltet oder nicht, und wieder werden die Beamten den Kopf schütteln, wenn sie Joanne unverletzt antreffen.
»Das tut mir wirklich leid«, sagt der Mann. Den Alarm ignoriert er einfach, er hat auch keine Eile, sich zu verabschieden. »Wir haben so gute Arbeit geleistet. Auf den hier war ich richtig stolz.« Er sieht sich um. »Das geht mir nicht immer so. Manchmal sind die Pools, die wir bauen, nicht besonders interessant. Die Leute haben keine Phantasie. Aber der hier war was anderes, diese Bumerangform und der tiefe Bereich da. Den würde ich gern fertig sehen.«
»Rogers Pools ist also immer noch pleite?« Schon während sie es ausspricht, merkt Joanne, wie dumm es ist. Warum steht sie überhaupt hier draußen und redet mit diesem Mann? Warum ist er hier? War er wirklich gerade in der Gegend? Wollte er sich wirklich nur mal ansehen, wie weit der Pool gediehen ist?
»Ich weiß nichts über Rogers Pools«, sagt er. »Ich mache das freiberuflich; ich habe mit allen möglichen Unternehmen Zeitverträge. Wer weiß, vielleicht bin ich mit einer anderen Firma wieder hier, wenn Sie den Pool fertigstellen lassen. Hoffentlich.« Er zwinkert ihr zu. »Sieht ja nicht so aus, als ob sie ihn diesen Sommer noch viel benutzen könnten.« Wieder läßt er seinen Blick durch den Garten wandern. Versucht er sich über die Lage des Hauses zu informieren? »Wirklich schade«, fährt er fort. »Wo dieser Sommer doch so heiß werden soll.« Er lächelt. Joanne sieht seine eng beieinanderstehenden Zähne. Verlegen tritt sie mit ihren nackten Füßen auf der Stelle und lenkt damit, ohne es zu wollen, seine Aufmerksamkeit auf sie. »Was ist denn mit Ihren Zehen passiert?« fragt er.
»Ich habe in zu kleinen Schuhen Tennis gespielt«, erklärt sie, jetzt beinahe überzeugt davon, das Ganze zu träumen.
Er sieht zum Himmel und schüttelt den Kopf. »Sie sollten besser auf sich aufpassen.« Sekunden später ist er verschwunden. Erst nach fünfzig Minuten trifft die Polizei ein.
19
»Du kommst zu spät«, sagt Eves Mutter, als Joanne Eves Haus durch die Vordertür betritt.
Joanne wirft einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Bloß um fünf Minuten«, sagt sie, entschlossen, sich nicht schuldig zu fühlen. »Wo ist Eve?«
»Ich habe sie wieder raufgeschickt, damit sie sich hinlegt.« Die Anspielung ist unvermeidlich – warum soll Eve leiden, wenn ihre Freundin unpünktlich ist? –, aber Joanne erwidert nichts. Schon vor langer Zeit hat sie gelernt, daß dies die beste Methode ist, mit Eves Mutter fertig zu werden. »Eve«, ruft deren Mutter die Treppe hinauf, »deine Freundin ist jetzt endlich da.«
»Also wirklich, Mutter«, sagt Eve, als sie die Treppe herunterkommt, »findest du nicht, daß du eine Spur zu grob bist?«
»Ja, haltet nur zusammen«, meint Eves Mutter, als Eve und Joanne wissende Blicke tauschen. »Und hört auf, so zu lächeln. Ihr denkt wohl, ich sehe das nicht!« Die beiden Frauen verlassen das Haus. »Fahrt vorsichtig!« ruft sie ihnen nach.
»Ach, ich habe mein People -Heft vergessen«, sagte Eve, während sie in Joannes Auto steigt. »Du weißt doch, die Ärzte setzen einem nur diese
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