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Ein mörderischer Sommer

Titel: Ein mörderischer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fielding Joy
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gewaschen und frisiert, wieder ausgekämmt, um sie neu zu frisieren, dann noch einmal naß gemacht und wieder anders frisiert. Sie ist immer noch mit den Haaren beschäftigt, da beginnt sie ihr Gesicht im Spiegel zu betrachten.
    Sie sieht verängstigt aus, findet sie, hebt den Arm, um Deodorant unter der Achsel zu verreiben, schlägt die Arme auf und ab wie ein aufgescheuchtes Huhn die Flügel, damit das Deo trocknet. Ihre Brüste wackeln hin und her in ihrem neuen weißen Spitzen-BH, den sie heute nachmittag in fliegender Eile besorgt hat, ein Modell, das man vorne auf- und zumacht. Das ist so viel leichter, denkt sie. Warum hat sie solche BHs nicht schon früher gekauft? Und der Slip, aus feiner Seide, mit einem weichen rosa Bändchen, das oben am Gummi entlangläuft. Mit diesem Slip fühlt sie sich hübsch. Sie beschließt, nächste Woche noch ein paar zu kaufen, obwohl sie wahnsinnig teuer sind.
    Sie sind unartig gewesen, hört sie eine schreckliche Stimme in ihr Ohr flüstern, unsichtbare Augen werfen abschätzende Blicke auf ihren Körper, unsichtbare Finger greifen nach ihrem neuen Slip. Sie müssen bestraft werden. Beginnen werde ich damit, daß ich Ihnen den Slip herunterziehe und Sie verhaue … »Nun«, sagt sie schroff und schlägt die Stimme mit Hilfe ihrer eigenen in die Flucht, »zumindest wirst du da etwas Hübsches zum Runterziehen haben.«
    Sie überlegt, ob das Männermagazin, das sie vor einigen Monaten gefunden hat, wohl noch immer in dem Schränkchen liegt oder ob Paul es mitgenommen hat. Sie beschließt, nicht nachzusehen. Egal, ob es noch da ist oder nicht, es würde sie auf jeden Fall deprimieren. Nicht nur, daß sie da ganz einfach nicht mithalten kann, das ist von vornherein klar. Selbst vor zwanzig Jahren wäre sie keine ernstzunehmende Konkurrenz für diese Models gewesen. Nein, was sie an diesen Magazinen so deprimiert, ist die Tatsache, daß erwachsene Männer so scharf darauf sind und daß es offensichtlich einen nie endenden Nachschub an jungen Mädchen gibt, die für so etwas posieren.
    Sie stellt sich Robin und Lulu in ein paar Jahren vor, über achtzehn, vom Gesetz her alt genug, ohne schriftliche Einwilligung der Eltern für solche Fotos zu posieren. Würden sie es tun? Würden sie es als Demütigung oder als Privileg betrachten, wenn man sie fragen würde, ob sie es tun wollen? Früher, denkt Joanne, während sie sich im Spiegel betrachtet, durften wir älter werden. Jetzt gibt es keine Entschuldigung mehr dafür. Es ist kein Platz mehr da fürs Älterwerden.
    »Was, zum Teufel, ist das?« fragt sie plötzlich und preßt die Nase gegen den Spiegel. »Ein Pickel?« Sie weicht vor dem, was sie da sieht, zurück. »Es kann doch kein Pickel sein!« Beinahe ehrfürchtig starrt sie auf die Mitte ihrer Wange. »Jetzt mußt du rauskommen?« fragt sie laut und beginnt schon zu überlegen, ob es etwas in ihren vielen Make-up-Tuben gibt, das dieses häßliche Ding überdecken kann. Jetzt weiß sie, wie Robin sich fühlt, wenn wenige Minuten vor einem Rendezvous Pickel auftauchen, wie nichtig ihre Versicherung – »Mach dir keine Sorgen, Liebling, er wird es nicht bemerken« – in Wahrheit ist. Natürlich wird er es bemerken! Er kann dieses Ding ja gar nicht übersehen! »Ich kann einfach nicht glauben, daß ich einen Pickel habe«, murmelt sie, und sie murmelt es immer noch, als sie eine halbe Stunde später die Türglocke läuten hört und ihr wieder einfällt, daß sie immer noch in der Unterwäsche dasteht und sich noch etwas mit ihren Haaren einfallen lassen muß.

18
    »Deine Frisur gefällt mir.«
    »Ach, das sagst du nur so!«
    Sie sitzen am Fenster eines schönen, ja romantischen Restaurants in Long Beach und sehen auf den Atlantik hinaus. Der Raum ist nur spärlich beleuchtet, rhythmisch brandet der Ozean unter ihnen an die Felsen – wie im Film, denkt sie –, eine flackernde Kerze trennt ihre nervösen Hände voneinander. Es war ein stiller Abend. Joanne hat sich große Mühe gegeben, ihrem Mann die Initiative bei den Gesprächen zu überlassen, nur zu antworten, wenn sie angesprochen wurde, alle Themen zu vermeiden, die bei ihm auch nur ein leichtes Unbehagen hervorrufen könnten. Zeig ihm, daß du dich für das, was er sagt, interessierst. Sie erinnert sich an diesen Ratschlag, den ihre Mutter ihr gegeben hat, als sie, Joanne, ein junges Mädchen war, und den sie selbst jetzt ihren eigenen Töchtern gibt. Ist es denn wirklich ein so schlechter Ratschlag? überlegt sie.

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