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Ein mörderischer Sommer

Titel: Ein mörderischer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fielding Joy
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dahinter und blättert in ihrem Terminkalender.
    »Was machen Sie da?« fragt sie, völlig verblüfft. Sie spricht lauter, als sie eigentlich will.
    »Wollte nur mal sehen, ob Sie wirklich so ausgebucht sind, wie Sie andauernd behaupten.« Der Junge tritt vom Schreibtisch zurück, aber sein schmieriges Grinsen ist alles andere als entschuldigend. Er nimmt einen großen Schluck aus dem Styropor-Becher, den er, wie sie erst jetzt bemerkt, in der linken Hand hält.
    Joannes Blick sucht den Schreibtisch daraufhin ab, ob irgend etwas fehlt. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie von jetzt an auf der anderen Seite des Schreibtisches bleiben würden«, erklärt sie schroff. Er nimmt wieder einen Schluck aus dem Styropor-Becher. Plötzlich beginnt, noch wählend Joanne ihn ansieht, seine Hand zu zittern, und ein Teil des Kaffees ergießt sich über sein Handgelenk.
    »O Gott, das ist heiß!« jault er. »Warum starren Sie mich so an?« fragt er vorwurfsvoll. »Glauben Sie, ich habe etwas gestohlen? Ich habe doch gesagt, ich habe nur mal …«
    »Haben Sie mich angerufen?« fragt sie mit erstaunlich sicherer Stimme. Ist es möglich, daß er so frech, so dreist ist?
    »Sie angerufen? Natürlich habe ich Sie angerufen! Wie hätte ich denn sonst einen Termin kriegen sollen?«
    »Das meine ich nicht. Ich meine jetzt, gerade eben. Als Sie den Kaffee holen gingen. Sie wissen schon, was ich meine.«
    »Ich weiß überhaupt nicht, von was Sie reden. Warum hätte ich Sie anrufen sollen? Ist in dieser Praxis alles übergeschnappt? Ein Arzt, der glaubt, er ist ein Clown, und eine Sprechstundenhilfe, die sich einbildet, daß sie von jemandem angerufen wird, der vor ihr steht …«
    »Ich habe Sie etwas gefragt.«
    »Und ich habe Ihnen geantwortet. Was werfen Sie mir eigentlich vor?«
    Joanne sieht sich hilflos im ganzen Raum um. Alle starren den Jungen und sie an. Was hat sie da nur angerichtet! Sie kennt diesen Simon Loomis nicht, und er kennt sie nicht. Warum sollte er derjenige sein, von dem die Anrufe kamen? Woher sollte er alle Informationen haben? »Es tut mir leid«, sagt sie und läßt sich langsam auf ihrem Stuhl nieder. »Nehmen Sie doch Platz. Der Doktor wird sich so schnell wie möglich um Sie kümmern.« Sie wirft noch einmal einen Blick auf ihren Schreibtisch. Fehlt etwas?
    »Ich glaube, ich warte lieber draußen und komme später wieder«, sagt der Junge.
    »Ihr Termin ist um drei«, sagt Joanne, ohne den Kopf zu heben.
    »Danke schön.« Der Sarkasmus dieser Worte liegt noch in der Luft, nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hat. Joanne atmet tief durch, bevor sie nachsieht, ob er auch wirklich gegangen ist. Sie merkt, daß der Kugelschreiber in ihrer rechten Hand zittert.
    Das Telefon klingelt. Wieder schießt ihr Blick zur Tür. Unmöglich, sagt sie sich, dazu hatte er nicht genug Zeit.
    »Praxis Dr. Gold«, meldet sie sich und hält die Luft an. »Ach, hallo, Johnny. Oh, okay. Wie wäre es …« Sie geht den Terminkalender durch. »… Wie wäre es mit der darauffolgenden Woche? Ja, genau. Dieselbe Zeit, eine Woche später. Am dreizehnten statt am sechsten. Okay. Gute Reise! Bis dann.« Sie legt den Hörer auf und sieht, daß ihre Hand immer noch zittert. Ihr Herz pocht schnell. Sie schlägt mit der Faust seitlich gegen den Schreibtisch. »Verdammt«, flüstert sie. »Ich will nicht jedesmal durchdrehen, wenn das Telefon klingelt! Ich will nicht durchdrehen!«
    »Redest du wieder mit dir selbst?« fragt Ron Gold, der gerade aus einem der Untersuchungszimmer herauskommt. Ihm folgt die immer noch mürrische Susan Dotson. »Gib Susan einen Termin in acht Wochen. Meine Mutter hat oft Selbstgespräche geführt«, fährt er fort. »Sie sagte immer: ›Wenn du dich mit einem intelligenten Menschen unterhalten willst, mußt du mit dir selber sprechen.‹« Joanne lacht. »Wer ist der nächste?«
    »Mrs. Pepplar.«
    »Mrs. Pepplar? Meine Lieblingspatientin!« Eine große, dunkelhaarige Frau erhebt sich von ihrem Stuhl. »Wenn Sie bitte mitkommen wollen, Mrs. Pepplar.« Joanne gibt Susan Dotson eine Karte, auf der der nächste Termin vermerkt ist, während Ron Gold mit Mrs. Pepplar den schmalen Gang hinunter und in einem der Behandlungsräume verschwindet.
    »In acht Wochen wieder«, sagt Joanne zu dem jungen Mädchen, das den Terminvermerk jetzt einsteckt und die Praxis verläßt. Das Wartezimmer erscheint nun merkwürdig still, obwohl es voller Leute ist. Aber sie haben sich wieder ihren Illustrierten und ihren eigenen

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