Ein moerderisches Geschaeft
hatte und nicht von dort wegwollte.
So musste es sein. Ihre Tante war vollauf damit beschäftigt, nützliche Kontakte zu knüpfen, und hatte nicht daran gedacht, sie anzurufen. Avery klammerte sich an diese Möglichkeit, weil sie keine andere Erklärung fand. Aber ihre Angst blieb. Warum hatte Carrie die Zimmerreservierung storniert?
»Ich muss wirklich mit Ihrem Geschäftsführer sprechen, könnten Sie das veranlassen?«
Oliver rührte sich nicht von der Stelle.
»Tun Sie, worum die Dame Sie bittet«, schaltete sich John Paul ruhig ein.
»Mr. Cannon ist hinunter in den Postraum gegangen, um ein Päckchen verpacken zu lassen.«
»Holen Sie ihn und richten Sie ihm aus, dass John Paul Renard wieder hier ist und ihn noch einmal sprechen möchte. Wir werden in seinem Büro auf ihn warten.«
Nicht, was John Paul sagte, sondern wie er es sagte, setzte Oliver in Bewegung. Er trat von seinem Computer zurück, drehte sich um und lief den Korridor entlang.
John Paul gab Avery keine Gelegenheit, zu protestieren oder Fragen zu stellen. Er stopfte ihre Sachen in den Rucksack, dann packte er ihre Hand und zog sie mit sich. »Kommen Sie. Ich kenne den Weg.«
»Ich komme gut allein zurecht, Mr. Renard. Ich brauche keine …«
»Nennen Sie mich John Paul.« Er führte sie hinter die Rezeption und durch einen langen Flur mit rotem Teppich.
Avery riss sich los und blieb vor der Tür des Büros stehen.
»Meinetwegen. Aber ich möchte ein paar Antworten haben«, erklärte sie. »Zuallererst möchte ich wissen, woher Sie meine Tante kennen.«
John Paul hatte selbst eine Frage. »Warum haben Sie Ihrem Onkel am Telefon nicht gesagt, dass Ihre Tante spurlos verschwunden ist?«
»Ich wollte nicht, dass er sich Sorgen macht. Außerdem weiß ich nicht mit Bestimmtheit, ob sie verschwunden ist.«
»Wo könnte sie sein?«
Gute Frage. Vermutlich trank Carrie irgendwo auf einem Berg Mimosas und amüsierte sich köstlich. Und währenddessen verlor Avery den Verstand vor Angst um sie. Nein, Carrie wäre nie so gedankenlos. Irgendetwas war schief gelaufen.
»Ich weiß nicht, wo sie ist, aber ich werde ein paar Anrufe tätigen und sie finden.«
»Wieso sollte sie ihren Urlaub hier absagen?«, fragte John Paul. »Der Typ an der Rezeption sagte, eine Frau hätte angerufen …«
»Die Hotelangestellten müssen mit unseren Buchungen geschlampt haben. Sie brauchen nicht hier zu warten. Wenn Sie mir Ihre Telefonnummer dalassen, werde ich dafür sorgen, dass sich Carrie bei Ihnen meldet. Vermutlich schlendert sie in der nächsten Minute in die Lobby und hat für ihr Zuspätkommen irgendeine unerhörte Entschuldigung parat.«
Sie glaubte selbst kein Wort von dem, was sie da von sich gab, aber sie hoffte, dass sich John Paul damit zufrieden geben und verschwinden würde.
»Dann warte ich mit Ihnen, bis sie kommt.«
Avery gab auf. Er war hartnäckiger als sie. Sie würde dahinter kommen, was er im Schilde führte, sobald sie ihre Tante aufgespürt hatte.
Zehn Minuten später saß sie an Mr. Cannons Artdeco-Schreibtisch in dem geräumigen Büro mit Blick auf den Wasserfall und Brunnen. Der Ventilator an der Decke drehte sich langsam und gab bei jeder Umdrehung ein Klicken von sich. Das Geräusch erinnerte Avery an Mrs. Speigel. Die alte Frau machte dieselben Laute, weil ihr Gebiss nicht richtig passte.
Auf dem schwarz lackierten Aktenschrank stand ein zweiter Ventilator, aber der lief mit voller Geschwindigkeit. Die Papiere, die auf dem Schreibtisch lagen, waren mit goldenen kugelförmigen Briefbeschwerern gesichert.
»Cannon lässt sich verdammt lange Zeit. Tätigen Sie Ihre Telefonate, ich suche ihn so lange«, schlug John Paul vor. »Aber bleiben Sie hier sitzen.«
Avery wartete, bis er die Tür hinter sich zugemacht hatte, dann wählte sie den Fernabruf ihres privaten Anrufbeantworters an. Sie hoffte, dass Carrie ihr eine Nachricht hinterlassen hatte, die ihre Abwesenheit erklärte, doch sie wurde enttäuscht. Als Nächstes versuchte es Avery mit der Mailbox ihres Büroanschlusses. Auch dort war keine Nachricht von ihrer Tante gespeichert.
Und jetzt? In ihrer Verzweiflung rief sie ihre Kollegen an. Vielleicht hatte Carrie mit Margo, Lou oder Mel gesprochen – obwohl das ziemlich unwahrscheinlich war.
Margo meldete sich auf der Hauptleitung. »Ich bin so froh, dass du dich meldest, Avery. Du wirst es nicht glauben. Ich habe mit der Haushaltshilfe deiner Nachbarin gesprochen, wie du es wolltest …«
»Margo«, unterbrach Avery
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