Ein mörderisches Komplott (German Edition)
Angestellte kramte in
seiner Schreibtischschublade und zog ein postkartengroßes Foto hervor. »Das ist
die einzige Aufnahme, die scharf war. Leider sind darauf die Kennzeichen des
Lastwagens nur undeutlich zu erkennen.«
»Besitzen Sie noch die Negative?« fragte Hastings.
»Unsere Spezialisten machen das Unmögliche möglich.«
»Die können sie gern haben.« Er wühlte wieder in der
Schublade und zog einen schmalen Umschlag hervor. »Da sind alle Negative drin.
Ich will sie aber zurückhaben, denn es befinden sich auch Familienaufnahmen
darunter!«
»Ist doch klar!«, versicherte ihm Hastings. »Sie haben
alles in ein paar Tagen wieder.«
Äußerst zufrieden mit dem Ergebnis verließen O’Brien und
Hastings daraufhin den Schlachthof von Perth und fuhren nach Inverness zurück.
Fünfter Teil
Kapitel 3 2
Henrik Jörgensson ist zwar erst 36 Jahre alt, aber infolge
seines unsteten Lebenswandels wirkt er bereits wesentlich älter. Er wurde im
norwegischen Trondheim geboren. Seinen Vater, eine Zufallsbekanntschaft seiner
Mutter, lernte er nie kennen. Auch sie, eine ehemalige Drugstore-Bedienung,
bekam er kaum zu Gesicht. Schon bald nach seiner Geburt bestritt sie ihren
Lebensunterhalt durch wechselnde Männerbekanntschaften. Es war daher kein
Wunder, dass der junge Henrik aufwuchs, ohne jemals liebevolle Zuneigung und
fürsorgliche Erziehung erfahren zu haben. Er machte keinen Schulabschluss und
fand frühzeitig Zugang in kriminelle Kreise. Bereits als 15-Jähriger musste er
wegen Einbruchsdiebstahls und räuberischer Erpressung eine Jugendhaftstrafe
verbüßen. Sein damaliger Zellengenosse war ein wegen Mordes an seiner Geliebten
zu lebenslanger Haft verurteilter Engländer. Dieser lehrte ihn die englische
Sprache, die er bei seiner Entlassung recht gut beherrschte.
Bereits mit 17 Jahren trampte er quer durch Europa und
landete schließlich in Marseille, wo er sich um Aufnahme in die französische
Fremdenlegion bewarb. Da er gesund und kräftig war, wurde er sofort
aufgenommen, musste sich allerdings zu einer fünfjährigen Dienstzeit
verpflichten. Mit Stolz trug er das Képi blanc (weißes Käppi) oder
das Béret vert (grünes Barett) und fühlte sich in dieser auf Leben
und Tod eingeschworenen Kameradschaft erstmals geborgen Hier fand er endlich
eine Heimat und das Motto der Legion ›Legio Patria Nostra‹ (Die Legion ist
unser Vaterland) wurde sein persönlicher Leitspruch.
Der Dienst in der Fremdenlegion war hart und entbehrungsreich
und führte ihn überall dorthin, wo es galt, französische Interessen zu
vertreten, und sei es mit Waffengewalt. In einigen afrikanischen Staaten kam es
zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Jetzt lernte er zum ersten Mal, Waffen
auf Menschen zu richten. Ihm wie auch seinen Kameraden wurde tagtäglich
eingetrichtert, dass der Einsatz fürs Vaterland höher zu bewerten sei als das
Leben einzelner Menschen. Und so lernte er zu töten. Je öfter er erlebte, wie
ein ihm völlig unbekannter Mensch von seinem Projektil tödlich getroffen wurde,
umso weniger bereitete ihm das noch Gewissensbisse. Als er bei einem Einsatz in
Dschibuti gleich zehn farbige Aufständische erschossen hatte, fühlte er sich
wie ein Held. Unter den Kameraden brüstete sich jeder mit seinen ›Abschüssen‹ ,
wie man es nannte.
Oft wurde aus Geltungssucht maßlos übertrieben. Aber man
freute sich auf den nächsten Einsatz in der Erwartung, dass die eigene ›Abschussquote‹ von den Offizieren beachtet und entsprechend belobigt würde. Wiederholt wurde
Henrik eine Medaille für besondere Tapferkeit verliehen.
Gegen Ende seiner Dienstzeit trat eine Phase der Ruhe
ein. Man saß im Camp, rauchte und trank, amüsierte sich mit farbigen Mädchen
aus den Dörfern und langweilte sich. Das gefiel Henrik überhaupt nicht, der
inzwischen an ein Leben gewöhnt war, das sich Gewaltanwendung zum allein
erstrebenswerten Ziel setzte. Er verlängerte den Vertrag nicht und trat als Sergent (Unteroffiziersrang) aus der Legion aus, nicht ohne sich einen der
grünroten Wimpel einzustecken, worauf Grün das Land und Rot das
Blut symbolisierte. Schon oft hatte er so ein Fähnchen bei Kampfeinsätzen mit
der roten Farbe nach oben aufgehängt, was gleichbedeutend mit Blut auf dem
Land war.
Zu seiner Mutter hatte er nie mehr Kontakt. Sie war
inzwischen weggezogen und er war auch nicht geneigt, nach ihrem Verbleib zu
forschen. So war er völlig allein auf sich gestellt und
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