Ein mörderisches Komplott (German Edition)
Es schien sich wieder einmal zu beweisen, dass Verbrecher – und mögen
sie noch so raffiniert vorgehen – letztlich doch an kleinen, unvorhersehbaren
Ereignissen scheiterten. Nun galt es noch herauszufinden, wo überall Henrik
Jörgensson zuletzt gesichtet wurde.
Ein Angestellter des Regent Hotel in Oban meldete
sich aufgrund des Steckbriefs: »Es war genau dieser Mann!« versicherte er dem
vernehmenden Kriminalbeamten und deutete immer wieder auf das Fahndungsplakat.
»Er war mir schon in jener Nacht aufgefallen. Es muss so gegen 2 Uhr gewesen
sein, als ich ihn hereinkommen und die Treppe hinaufschleichen sah. Ich saß
hinter dem Empfangstresen, aber er schien mich nicht bemerkt zu haben.«
»Fiel Ihnen sonst noch etwas an dem Mann auf, auch wenn
es sich nur um eine Kleinigkeit handelte?«, erkundigte sich der Beamte.
»Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen. Am nächsten
Morgen hatte ich Schichtwechsel und machte mich auf dem Heimweg. Direkt vor mir
verließen zwei Gäste unser Hotel, einer von ihnen war der nächtliche
Heimkehrer; ich hatte mir sein Gesicht eingeprägt. Ich lief also hinter beiden
her, um wie immer die Abkürzung über den nahe gelegenen Parkplatz zu nehmen. Da
sah ich zufällig, wie dieser Typ aus einem älteren Ford Fiesta ein längliches
Bündel herausholte und es seinem Begleiter übergab. Der verstaute es im
Kofferraum seines daneben geparkten Wagens.«
»Was war das für ein Fahrzeug, das dem anderen Mann
gehörte? Erinnern Sie sich vielleicht noch an das Fabrikat?«, erkundigte sich
der Beamte.
»Nein, tut mir leid! Darauf achtete ich nicht und ging
dann weiter.«
Auch ein Constable der Verkehrspolizei meldete sich, der in
der fraglichen Zeit auf der A828 zwischen Ballachulish und Oban mit einem
Kollegen Streife fuhr: »Es war ein Uhr nachts, als ich einen Personenwagen
wegen eines defekten Scheinwerfers zur Seite winkte. Darin saß der Mann von dem
Fahndungsfoto!«, bestätigte der Constable. »Ich kann mich noch deutlich an das
Gesicht des Fahrers erinnern, der auf mich einen schlechten Eindruck machte.
Aber weil nichts gegen ihn vorlag, ließ ich ihn nach einer Ermahnung
weiterfahren.«
Die Polizeistreife hatte wie üblich die Kennzeichen
sämtlicher in jener Nacht kontrollierten Fahrzeuge notiert. So stellte man
schnell einen kleinen Autoverleih in Oban als Besitzer des beanstandeten Ford Fiesta
fest. Dort hatte sich Henrik Jörgensson sogar unter seinem vollen Namen und
nach Vorzeigen seines Reisepasses eingetragen. Der Ring um ihn begann sich zu
schließen.
Henrik hoffte seinen Verfolgern durch Benutzung abseits
gelegener, wenig befahrener Straßen zu entkommen. Innerhalb von Ortschaften
stieß er immer wieder auf Fahndungsplakate mit seinem Konterfei, weshalb er
Ansiedlungen möglichst mied. Einige Male wurde er von hilfsbereiten
Kraftfahrern ein kurzes Stück mitgenommen. Zweimal stahl er ein Auto: Zuerst
auf dem Parkplatz vor einer Kirche südwestlich Glasgows, danach vor einem
Supermarkt einer Kleinstadt im Norden Englands. Es handelte sich jeweils um
ältere Modelle ohne Zündsperre, denen schon nach kurzer Fahrt der Treibstoff
ausging.
Einmal handelte er sich Ärger ein, als er auf dem
Wochenmarkt einer Kleinstadt südlich von Leeds Obst stahl und rasch davonlief.
Einige Jugendliche hatten das beobachtet und setzten ihm nach, aber Henrik
drehte sich um und bedrohte sie mit seinem Springmesser. Da ließen die
Verfolger von ihm ab. Aber ein ganz mutiger Bursche schoss mit seiner
Digitalkamera ein Foto von Henrik – von diesem unbemerkt – und übergab es
sofort der Polizei.
Seitdem Henrik Oban verließ, hat er sich nicht mehr
rasieren können, sodass zwischen seinem derzeitigen Äußeren und dem
Fahndungsplakat kaum noch Ähnlichkeit bestand. Das Foto des jungen Mannes
zeigte ihn dagegen mit einem dunklen, das halbe Gesicht bedeckenden Bart.
Nichts davon ahnend fühlte sich Henrik von Tag zu Tag sicherer. Aber die
Polizei fand inzwischen heraus, um wen es sich bei dem Obstdieb handelte. Nur
wurde aus taktischen Gründen auf die Erstellung neuer Fahndungsplakate
verzichtet, denn der gejagte Mörder sollte sich in Sicherheit wiegen.
Per Anhalter schlug sich Henrik bis zur Hafenstadt Portsmouth
im Süden Englands durch, um mit einem Schiff der Brittany Ferries zum
französischen Cherbourg überzusetzen. Von dort aus wollte er weiter nach
Nantes, wo es ein Bewerbungsbüro der Fremdenlegion gab.
Völlig am Ende
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