Ein mörderisches Komplott (German Edition)
Gleichzeitig wurde seitens der Staatsanwaltschaft Inverness das interne
Unfallprotokoll der Police Station Kingussie beschlagnahmt. Henry Forster
übergab dieses eigenhändig dem Reißwolf.
Kapitel 5
Der 35-jährige Harry Coleman betreibt eine kleine
Auto-Reparaturwerkstatt in der südöstlich von Inverness gelegenen Touristenhochburg
Aviemore. Nachdem ihm ein namhafter Automobilhersteller die Lizenz entzogen
hatte, blieb auch die zahlungskräftige Kundschaft aus und sein Betrieb stand
bereits mehrmals kurz vor der Pleite.
Seit dem Tod seiner Frau Barbara ist Harry
alleinerziehender Vater seiner siebenjährigen Zwillingstöchter Jessica und
Katie. Seine bisherigen Versuche, für beide eine Ersatzmutter und für sich
wieder eine Lebensgefährtin zu finden, blieben trotz intensiver Bemühungen ohne
Erfolg. Zwar gibt es in Aviemore noch etliche gut aussehende Frauen, die auch
altersmäßig zu ihm passen würden. Aber welche Frau interessiert sich schon für
einen Witwer mit zwei schulpflichtigen Kindern? Der entscheidende Grund für
seine Misserfolge ist jedoch ein völlig anderer:
Als Harry vor zehn Jahren von der Universitätsstadt
Aberdeen nach Aviemore umzog, um hier einen Autoservice-Betrieb zu übernehmen,
sorgte das bei den jungen Mädchen des Orts für eine Fülle an Gesprächsstoff.
Sie rissen sich förmlich um den gut aussehenden, hilfsbereiten Automechaniker,
der allerdings nicht daran dachte, eine dauerhafte Bindung mit einer der vielen
Schönen einzugehen. Er genoss vielmehr in vollen Zügen das Junggesellenleben
und liebte mal diese, mal jene, und bald es gab kaum ein Mädchen in Aviemore,
das er nicht vernascht hätte. So verglichen ihn böse Zungen mit einer von Blüte
zu Blüte fliegenden Honigbiene, was ihm bald den Spitznamen honeybee eintrug.
Doch als er eines Tages seine bildhübsche Freundin Barbara McDavid aus Aberdeen
nachkommen ließ und kurz danach heiratete, war die Enttäuschung bei jenen
Mädchen groß, die sich bereits Hoffnung gemacht hatten. Sein Ruf war dahin und
viele Leute des Orts mieden ihn und seinen Betrieb auch dann noch, als Barbara
zwei Jahre nach der Geburt ihrer Zwillinge einem Krebsleiden erlag.
Zu seinem gleichaltrigen Schwager Peter McDavid, einem
Grundschullehrer, unterhält er seit Barbaras Tod ständigen Kontakt. Allerdings
beschränkt sich dieser auf den Austausch von eMails, denn Peter lebt in Elgin,
dem Zentrum des im Nordosten Schottlands gelegenen Verwaltungsbezirks Moray. Peter
bedauerte Harrys vergeblichen Bemühungen, eine Mutter für seine Kinder zu
finden und riet ihm, hierfür das Internet zu benutzen, denn in den
entsprechenden Foren würde es vor heiratswilligen Frauen nur so wimmeln.
Seitdem surft Harry täglich im Internet. Wohl aus einer
spontanen Laune heraus entschied er sich für seinen Spitznamen honeybee, unter dem er sich in den einschlägigen Chatrooms einloggte. Aber auch hier
blieb ein Erfolg aus, denn entweder waren die Chat-Partnerinnen zu jung, hatten
selbst Kinder oder lebten in schwierigen sozialen Verhältnissen. Obwohl ihm
einige der Frauen gut gefielen, kam es wegen der teils zu großen Entfernungen
zu keinem Meeting. Allerdings war es der größte Fehler seines Lebens gewesen,
sich als honeybee anzumelden. Das sollte er eines Tages büßen.
Es passierte an einem Sonntagnachmittag. Harry Coleman
hatte für Jessica und Katie eine Geburtstagsparty arrangiert, wozu noch einige
Kinder aus der Nachbarschaft eingeladen wurden, deren Eltern sich auf dem
Volksfest des Clan Tartan Centre amüsierten. Harry war bei seinen
unmittelbaren Nachbarn recht beliebt, da er sich stets hilfsbereit zeigte und
für diese oder jene Autoreparatur nur die reinen Materialkosten berechnete. Er
besaß das volle Vertrauen der Eltern und die Kinder verehrten ihn, denn er war
ein wunderbarer Märchenerzähler und immer zu Späßen aufgelegt.
Nachdem Geschirr und Kuchenreste von den Tischen
abgeräumt waren, stand ein Märchenfilm auf dem Programm. Die Kinder saßen
erwartungsvoll vor dem Fernsehgerät, als sich vor dem Haus ein tragischer
Verkehrsunfall ereignete. Plötzlich gab es einen ohrenbetäubenden Knall.
Erschreckt sprangen die Kinder auf und rannten zum Fenster, aber Harry
beschwichtigte sie mit der Begründung, ein altes Auto hätte eine Fehlzündung
gehabt. Alle beruhigten sich wieder und setzen sich brav vor den Fernseher.
Harry startete den DVD-Player, stellte den Ton auf leise und trat wieder
hinters Fenster. Er
Weitere Kostenlose Bücher