Ein mörderisches Komplott (German Edition)
vernahm jetzt die Rufe aufgeregter Passanten, später die
Signalhörner von Polizei- und Rettungswagen. Die Kinder bemerkten nichts von
alldem; fasziniert verfolgten sie die spannende Handlung des Films.
Plötzlich ertönte die Türglocke. Harry sah durch die
zugezogene Gardine zwei Polizisten und einen Mann in Zivil vor der Haustür
stehen; im Hintergrund flackerte das Blaulicht eines Polizeiautos. Aber Harry
fühlte keine Veranlassung, sich als Zeuge zur Verfügung zu stellen. Schließlich
hatte er nur einen Knall gehört, aber nichts weiter von dem Vorfall
mitbekommen. Außerdem hatte er keine Lust, den Kindern den Nachmittag zu
vermiesen. Darum öffnete er auch nicht, als wiederholt geläutet wurde.
Womöglich wären die Polizisten ins Haus gekommen und hätten die vergnügte
kleine Gesellschaft gestört. Als die Kinder neugierig zur Tür hinschauten,
sagte er nur »Pst!« und legte seinen Zeigefinger über den Mund.
Daraufhin waren alle mucksmäuschenstill und starrten wieder gebannt auf den
Bildschirm. Es läutete zwar noch weitere Male, aber schließlich zogen die
Männer ab.
Harry trat wieder ans Fenster und beobachtete, wie der
Kran eines Abschleppwagens die Wrackteile eines roten Austin Mini auflud und
der Mann in Zivil mit dem Fahrer sprach. Gleich darauf fuhr der Kranwagen –
eine schwarze Qualmwolke hinterlassend – in Richtung Inverness davon.
Etwas später wurde ein silbergrauer Rover von den
Polizisten auf den Abstellplatz vor der Werkstatt geschoben, der Mann in Zivil
sah ihnen dabei zu. Während sich die Kinder immer noch begeistert den Film
ansahen, freute sich Harry bereits auf einen Reparaturauftrag, denn es
herrschte gerade Ebbe in der Kasse.
Die Nachbarskinder waren bereits von ihren Eltern abgeholt
worden. Jessica und Katie saßen in der Küche beim Abendessen. Ihr Vater hatte
ihnen zum Ausklang ihres Geburtstags ein besonders leckeres Essen zubereitet.
Da läutete es erneut an der Haustür. Harry Coleman sah vom Fenster aus einen
Mann in der blaugrauen Busfahreruniform des Highland-Express vor der Tür
stehen. Das überraschte ihn, denn er hatte kaum noch damit gerechnet, dass
seine im Bus liegen gebliebene Tragetasche mit verschiedenen Einkäufen
tatsächlich gefunden wurde. Er hatte am Vortag den Bus nach Inverness genommen,
was wesentlich billiger kommt als eine Fahrt mit dem eigenen Wagen. Gleich nach
seiner Rückkehr stellte er fest, dass er einen Teil seiner Besorgungen im Bus
hatte liegen lassen. Umgehend hatte er bei der Zentrale des Highland-Express angerufen und den Verlust gemeldet. Zum Glück war die Tasche war bereits
entdeckt worden, sie sollte ihm durch einen der Fahrer überbracht werden.
Erleichtert öffnete er die Tür, war aber erstaunt, als der Mann nichts in den
Händen hielt.
»Entschuldigen Sie bitte die späte Störung«, sagte der
Busfahrer ganz leise. »Sind Sie Mr Coleman? Gehört Ihnen diese Werkstatt?«
»Ja der bin ich, und das ist meine Firma«, bestätigte
Harry.
»Mein Name ist Jack Packard und ich frage Sie: Waren Sie
vielleicht Zeuge des Verkehrsunfalls da drüben?« Er deutete mit dem Daumen
rückwärts in Richtung des umgestürzten Mastes.
Harry hatte beschlossen, sich aus allem herauszuhalten
und erwiderte freundlich: »Tut mir leid, Mister, ich war den ganzen Tag weg,
bin erst vor kurzem wieder nach Hause gekommen. Was soll denn da passiert
sein?«
»Beim Zusammenstoß mit einem anderen Auto ist meine
Familie umgekommen«, stammelte er unter Tränen. »Ich hoffte, dass Sie
vielleicht etwas beobachtet hatten.«
Erst jetzt wurde Harry Coleman bewusst, welch
schreckliches Unglück sich am Nachmittag vor seinem Haus abgespielt haben
musste. Aus purem Egoismus hatte er sich nicht als Zeuge zur Verfügung
gestellt. Andererseits hatte er ja von dem Vorfall überhaupt nichts
mitbekommen, was hätte er da schon aussagen können. Er suchte nach Worten und
meinte schließlich:
»Das ist ja entsetzlich, mein herzliches Beileid,
Mister! Aber leider kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Es wird am Besten sein,
wenn Sie sich an die Polizei wenden!«, riet er, weil er dem verzweifelten Mann
wenigstens einen Tipp geben wollte. »Das nächste Polizeirevier befindet sich in
Kingussie, das liegt nur ein paar Meilen südlich von hier.«
Jack Packard zuckte mit den Schultern, blieb noch eine
Weile unschlüssig vor der Tür stehen, drehte sich dann wortlos um und lief mit
eiligen Schritten zu seinem draußen
Weitere Kostenlose Bücher