Ein mörderisches Komplott (German Edition)
O’Brien sah seine Besucherin augenzwinkernd an und
fuhr dann fort: »Irgendwann sollen wir aber einen Neubau erhalten, dann werde
ich Ihnen hoffentlich ein schöneres Büro präsentieren können, falls ich Sie
jetzt nicht für immer verjagt habe. Sie werden es nicht glauben, aber mein Büro
in London bei Scotland Yard sah noch prächtiger aus als dieses hier.«
Dann führte er Jenny Symon in den angrenzenden Raum und
winkte dem vor einem Flachbildschirm sitzenden jungen Beamten zu. »Der junge
Mann dort ist meine rechte Hand, Detective Sergeant Edward Hastings.« Dieser schien
sich über den seltenen Damenbesuch zu freuen und winkte Jenny Symon vergnügt
zu, allerdings ohne seine anscheinend sehr wichtige Arbeit am Computer zu
unterbrechen.
»Und wer arbeitet dort?« Jenny Symon deutete auf einen
weiteren, unbesetzten Schreibtisch.
»Derzeit niemand. Falls erforderlich ist somit Platz für
einen zweiten Mann vorhanden.«
»Haben Sie denn keine weiteren Mitarbeiter? Ich dachte,
eine so bedeutende Behörde beschäftigt wesentlich mehr Personal.«
»Tut sie auch! Das hier ist nur das Morddezernat«,
erklärte O’Brien. »Normalerweise schaffen Hastings und ich die Arbeit hier
allein. Wenn wir gelegentlich Unterstützung benötigen, dann erhalten wir die
von anderen Ressorts, wie zum Beispiel denen für Wirtschaftskriminalität,
Rauschgiftdelikte, Sexualverbrechen und so fort. Nach Feierabend ist jeder
Diensthabende für alles zuständig, egal worum es geht. Außerdem gibt es noch
eine Abteilung, die für eine Koordination mit der Schutz- und
Bereitschaftspolizei zuständig ist. Dort sind weitere Mitarbeiter tätig,
überwiegend Detective Constables. Die stehen den einzelnen Fachressorts bei
Bedarf zur Verfügung. Aber nun kommen Sie!« Er umfasste behutsam Jennys Symons
Arm. »Wir verfügen auch über eine Kantine. Die ist um diese Zeit leer, dort
können wir uns weiter unterhalten.«
Der Speiseraum war zwar nicht viel gemütlicher als Paul
O’Briens Büro, aber immerhin gab es dort ein paar bequeme Polsterstühle und
einen Tisch mit grauer Kunststoffplatte. Paul O’Brien holte aus einem Regal
zwei Gläser und aus dem Kühlschrank eine Flasche Mineralwasser. Dann setzte er
sich seiner Besucherin gegenüber.
Jenny Symon konnte es nicht fassen, dass ein Mann mit
seinen Qualitäten unter derart altmodischen, beinahe unwürdigen Bedingungen
arbeiten musste. Sie bewunderte seine sicheren Handbewegungen beim Einschenken
des sprudelnden Wassers. Erst jetzt fiel ihr auf, dass O’Brien in Zivilkleidung
vor ihr saß. Sie sah ihn prüfend an und meinte dann: »Ich dachte immer, in
diesem Haus wären alle Polizisten uniformiert.«
Paul O’Brien freute sich über Jennys Beobachtungsgabe
und klärte sie auf: »Die Polizeiuniform hängt bei mir zu Hause im
Kleiderschrank. Wir Offiziere beim CID müssen mindestens zwei Jahre vor
Eintritt in den Kriminaldienst Uniform getragen haben. Erst danach ist uns
Zivilkleidung auch bei Ausübung des Dienstes gestattet. Das ist gewiss auch
sinnvoll bei Ermittlungen, in denen man nicht sofort als Kriminaler zu erkennen
sein darf. Gelegentlich kann aber eine Uniform von Vorteil sein, weil man damit
an Autorität gewinnt. Sie werden nicht glauben, was unsere Beamten tagtäglich
mit verrückten oder psychisch kranken Leuten erleben müssen. Erst dieser Tage
kreuzte hier ein Mann namens Packard oder so ähnlich auf, dessen Familie
angeblich bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Er erzählte uns eine
Menge verwirrendes Zeug. Zum Beispiel von seinem total beschädigten Kleinwagen,
der am Unfallort spurlos verschwunden sei, sowie einem nicht mehr auffindbaren
Unfallprotokoll. Er wollte uns dann Sterbeurkunden vorlegen, kramte vergeblich
in seiner Tasche herum und gab schließlich an, sie irgendwo liegengelassen zu
haben. Der Typ behauptete sogar, dass ein Chief Superintendent Jameson vom CID
den Unfall verursacht hätte, nur gibt es einen solchen Mann bei uns gar nicht.
Dieser Spinner – angeblich ein Busfahrer aus den USA – hatte wohl etwas zuviel
getrunken, als er bei uns auftauchte. Er krakeelte herum, wurde daraufhin
höflich aber bestimmt von meinen Mitarbeitern vor die Tür befördert. Solche
Vorkommnisse gibt es haufenweise, man könnte Romane darüber schreiben!«
Jenny Symon erschrak für einen Augenblick, denn sie
hatte nicht damit gerechnet, so unmittelbar mit dem Fall Packard konfrontiert
zu werden. Seit Paul O’Briens
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