Ein Moment fürs Leben. Roman
schloss, sah ihr Lächeln, dann fuhr der Jeep die Einfahrt hinunter. An der Straße blieb er stehen und blinkte nach rechts, den Weg zurück, den wir gekommen waren.
Die ganze Zeit hatte ich die Luft angehalten, und als Jennas Auto verschwand, atmete ich endlich aus. Wieder zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen, und einen Moment spürte ich Panik in mir aufsteigen. Ich wollte sie zurückholen, ich wollte zu Blake, wollte wieder mit ihm zusammen sein und so leben, wie wir immer gelebt hatten. Aber dann erinnerte ich mich.
Die Macht der Gewohnheit.
Kapitel 27
Als ich aufwachte, saß mein Leben bereits angezogen im Sessel und beobachtete mich, was ziemlich unheimlich war – um es mal vorsichtig auszudrücken. Er machte ein trauriges Gesicht.
»Ich hab schlechte Nachrichten.«
»Wir sind hier zusammengekommen, um den Verlust von Sebastian zu betrauern«, sagte mein Leben, als wir auf dem Schrottplatz standen und auf mein armes Auto starrten, das von den Auto-Sanitätern hierhergebracht worden war.
»Wie lange weißt du es schon?«
»Seit gestern, aber da wollte ich es dir nicht sagen. Irgendwie erschien es mir nicht richtig.«
»Müssen wir ihn denn wirklich gehen lassen? Können wir ihn nicht noch ein Weilchen behalten?«
»Ich fürchte nein. Nicht mal ein ganzes Mechaniker-Team konnte ihn wieder zum Leben erwecken. Außerdem wärst du besser dran, wenn du dir von dem ganzen Geld, das du für seine Reparaturen ausgibst, ein neues Auto kaufen würdest.«
»Ich bin aber loyal.«
»Ich weiß.«
Wir schwiegen einen Augenblick, dann tätschelte ich Sebastians Dach. »Danke, dass du mich an all die Orte gebracht hast, wo ich hinwollte, und wieder zurück nach Hause. Lebe wohl, Sebastian, du hast mir treu gedient.«
Mein Leben gab mir eine Handvoll Erde.
Ich nahm sie und warf sie auf Sebastians Dach. Dann traten wir einen Schritt zurück, der Greifarm senkte sich herab, und Sebastian wurde hochgehoben, dem Himmel entgegen.
Und dann unverzüglich abgesetzt und zerdrückt.
Eine Hupe unterbrach meine Gedanken, und als wir uns umschauten, sahen wir Harry, der sich aus dem Fenster des Campers lehnte. »Der Kerl mit den Paranüssen will unbedingt losfahren. Seine Mum hat einen Wutanfall und braucht den Wagen unbedingt für irgendein irisches Tanzfestival.«
Auf dem Heimweg war ich sehr still, genau wie Harry. Er saß neben mir, schrieb eine SMS nach der anderen, und in den Intervallen, wenn er auf eine Antwort wartete, las er die vorhergehenden.
»Harry ist verliebt«, neckte ihn Annie.
»Glückwunsch.«
Er wurde ein bisschen rot, lächelte aber. »Und was ist mit deinem Freund?«
»Oh. Nichts.«
»Ich hab dir ja gesagt – in drei Jahren können Leute sich gewaltig verändern.«
Aber ich wollte mich nicht von einem College-Pimpf belehren lassen, es konnte ja nicht angehen, dass er sich einbildete, mehr über die menschliche Rasse zu wissen als ich, deshalb lächelte ich ihn an und erwiderte ziemlich herablassend: »Aber er hat sich nicht verändert. Er ist genau der Gleiche geblieben.«
Harry rümpfte die Nase. Anscheinend gefiel es ihm nicht, dass Blakes kleine Einführungsvorstellung gestern ganz normal für ihn war und nicht etwa die Folge davon, dass ihm irgendwann in den letzten drei Jahren jemand einen Schlag auf den Schädel verpasst hatte. »Dann hast
du
dich wohl verändert«, meinte er nüchtern und wandte sich dann wieder seinem Handy zu, um dem Mädchen, mit dem er Babys haben wollte, die nächste SMS zu schreiben.
Nach diesem Gespräch wurde ich noch stiller, denn ich hatte eine Menge nachzudenken. Mein Leben hatte offensichtlich Lust zu quatschen, aber nach einigen verzögerten und recht einsilbigen Antworten meinerseits merkte er schließlich, dass ich kein Interesse hatte, und ließ mich in Frieden. Ich hatte auf dieser Reise viel verloren: Nicht nur die Liebe, an die ich geglaubt hatte, und mein Auto, an dem ich so hing, sondern auch die Hoffnung, mich aus dem Netz meiner Lügen befreien zu können, schien auf einmal unrealistisch oder zumindest weit problematischer, als ich es erwartet hatte. Und nun? Ich hatte keinen Job, kein Auto, keine Liebe, kaputte oder zumindest angeschlagene Beziehungen zu meiner Familie, zu meinen Freunden und vor allem zu meiner besten Freundin, was mir am meisten Sorgen machte. Alles, was ich hatte, war eine gemietete Einzimmerwohnung, eine Nachbarin, die wahrscheinlich kein Wort mehr mit mir wechseln würde, und ein Kater, den ich zwei Nächte
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