Ein Moment fürs Leben. Roman
das ist nicht der Punkt.«
Mit zusammengebissenen Zähnen dachte er nach. »Du hast mich nicht betrogen, oder?«
»Was? Nein, natürlich nicht! Blake, hör mir zu, sie glauben, dass ich die Böse bin, dass ich dir das Herz gebrochen und dein Leben ruiniert habe und …«
»Deshalb möchtest du jetzt mich stattdessen zum Buhmann machen«, fiel er mir ärgerlich ins Wort.
»Nein, natürlich nicht, ich möchte nur, dass sie die Wahrheit kennen. Jetzt ist es, als würden sie mir die Schuld an allem geben, was sich seit unserer Trennung verändert hat. Na ja, nicht alle, es ist hauptsächlich Adam …«
»Ach, vergiss Adam«, sagte Blake und beruhigte sich etwas. »Er ist mein bester Freund, der loyalste Mensch der Welt, aber du kennst ihn ja, er ist schnell mal anstrengend. Ich sage ihm, er soll dich in Ruhe lassen.«
»Er stichelt ständig. Zwischen ihm und Mary und mir ist die Atmosphäre immer gespannt, obwohl mir das eigentlich nicht so viel ausmacht. Aber er macht mir wirklich das Leben schwer, und wenn er wüsste, dass es eigentlich ganz anders war, dann würde er bestimmt damit aufhören. Womöglich würde er sich sogar entschuldigen.«
»Du willst eine Entschuldigung? Darum geht es dir also. Na gut, ich rede mit ihm, ich sage ihm, er soll sich beruhigen, ich erkläre ihm, dass wir uns einfach langsam auseinanderentwickelt haben und dass du die Stärkere warst, die es irgendwann zur Sprache gebracht hat, dass ich gut damit zurechtkomme, dass …«
»Nein, nein, nein«, unterbrach ich ihn, denn ich wollte nicht in eine neue Geschichte hineingezogen werden. »Nein, ich will, dass sie alle die Wahrheit erfahren. Wir brauchen nicht in die Details zu gehen, wer was zu wem gesagt hat und so, das ist unsere Privatangelegenheit. Aber ich möchte, dass sie Bescheid wissen. Verstehst du?«
»Nein«, antwortete er bestimmt, stand auf und klopfte sich das Gras von der Jeans. »Ich weiß nicht, worauf ihr es abgesehen habt, du und dein Leben. Wahrscheinlich wollt ihr mich bei unseren Freunden zum Buhmann machen. Aber darauf falle ich nicht rein. Ich tu das nicht. Die Vergangenheit ist vorbei, du hast recht, es gibt kein Zurück.«
Ich stand ebenfalls auf. »Warte, Blake. Was immer du jetzt denkst, du irrst dich. Das ist kein Sabotageakt gegen dich, im Gegenteil. Ich möchte die Dinge in Ordnung bringen, genauer gesagt, mein Leben. Ich dachte, das würde bedeuten, dass ich dich wiederfinde, und in gewisser Hinsicht hat das gestimmt, aber ganz anders, als ich dachte. Schau« – ich holte tief Luft –, »es ist ganz einfach. Vor ein paar Jahren haben wir eine Lüge erzählt. Wir dachten, es wäre nur eine kleine Lüge, aber das stimmt nicht. Für dich ist es okay, denn du bist dauernd weg, du reist um die Welt und begegnest dieser Lüge kaum einmal. Aber ich muss jeden Tag mit ihr leben, jeden einzelnen Tag. Dauernd werde ich gefragt, warum ich eine Beziehung zerstört habe, die doch perfekt war. Aber ich habe dich nicht verlassen. In Wirklichkeit ist mir etwas weggenommen worden, was ich für perfekt gehalten habe, und deshalb wollte ich nie mehr etwas Perfektes haben. Ich wollte Durchschnitt, ich wollte dafür sorgen, dass mir nie mehr etwas so wichtig wird, denn ich wollte nie mehr in die Situation kommen, etwas zu verlieren, was ich wirklich liebe. Aber ich kann nicht mehr mit der Lüge leben. Es geht nicht. Ich muss die Vergangenheit hinter mir lassen, aber um das zu können, musst du mir bitte in dieser einen Sache helfen. Ich kann es unseren Freunden alleine sagen, aber du musst hinter mir stehen. Bitte, Blake, ich brauche deine Hilfe.«
Wieder dachte er nach, starrte mit angespanntem Kiefer und konzentriertem Blick auf einen Stapel Fässer. Dann bückte er sich, hob sein Bierglas vom Boden auf und sah mich an, aber nur eine Sekunde. »Tut mir echt leid, Lucy, ich kann das nicht. Ich möchte, dass wir alles so lassen, wie es ist, okay?« Damit drehte er sich um und verschwand in der Dunkelheit des Pubs, verschluckt von Musik und Begeisterung.
Erschöpft ließ ich mich wieder aufs Gras sinken, auf dem wir noch vor wenigen Augenblicken nebeneinander gesessen hatten. Immer wieder ging ich unser Gespräch in Gedanken durch, aber ich entdeckte nichts, was ich hätte anders machen wollen. Inzwischen war die Dämmerung hereingebrochen, das Halbdunkel eines Sommerabends, in dem sich in den Schatten bedrohlichere Dinge zu verbergen schienen. Ich fröstelte. Dann hörte ich aus Richtung des lauten Biergartens
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