Ein Moment fürs Leben. Roman
statt vor der ganzen Kundschaft in den Laden zu stürmen. Ich bin mir gar nicht sicher, ob seine Motive ehrenwert waren.«
»Wirklich?« Ich setzte mich auf die Rückenlehne der Couch, froh, dass er diese Debatte vom Zaun gebrochen hatte. »Ich fand die beiden perfekt füreinander, und die Tatsache, dass auch ihre Freundin mit seinem Freund zusammengekommen ist, hat doch gezeigt, dass …«
MrPan miaute im Bad. Dann kam meine Mutter zur Wohnungstür hereingestürzt, und ich wusste, dass die Sache gelaufen war.
»Was duftet denn hier so köstlich? Oh, Lucy, wie wunderbar! Falls ich doch beschließe, deinen verfluchten Vater noch einmal zu heiraten, würdest du dann bitte die Hochzeitstorte backen? Das wäre toll!« Dann bemerkte sie Charlie, und weil sie dachte, ich wollte ihr meine Geheimnisse offenbaren und meine Freunde vorführen, streckte sie ihm die Hand hin. »Oh, hallo, ich bin Lucys Mutter, freut mich, Sie kennenzulernen.«
Charlie sah mich neugierig an. »Und wer ist dann da drin?«
Wie von der Tarantel gestochen, zog Mum die Hand zurück.
»Wo drin?«
»Im Badezimmer.«
»Oh, das ist …« Aber ich konnte nicht direkt vor der Nase meines Lebens lügen. Er war schon drei Wahrheiten schuldig geblieben. Aber ich musste mich auch gar nicht weiter anstrengen, denn MrPan miaute wieder, laut und deutlich und unverkennbar.
»Also, das ist doch MrPan!«, rief meine Mutter erstaunt. »Wie ist er denn da reingekommen?«
»Er ist ein Freund der Familie«, erklärte mein Leben beiläufig und biss in einen Cupcake.
»Schau, was ich heute für ihn gekauft habe.« Mum wühlte in den Einkaufstüten und zog einen rosa Tutu heraus. »Aus irgendeinem Grund kommt er mir eher wie ein femininer Typ vor, er sitzt immer so gern in deinen Schuhen.«
»Ein sehr kleiner Freund der Familie«, ergänzte mein Leben.
»Dann haben Sie also wirklich eine Katze«, stellte Charlie zufrieden fest und machte sich über das nächste Stück Kuchen her.
»Oh«, sagte Mum, als ihr endlich klarwurde, was sie getan hatte.
Ich kapitulierte.
»Er muss verschwinden, Lucy«, sagte Charlie. »In diesem Gebäude dürfen keine Haustiere gehalten werden, das wissen Sie doch. Man hat sich deswegen schon bei mir beschwert.«
»Ich kann ihn aber nicht weggeben«, jammerte ich. »Er ist mein Freund.«
»Es ist mir gleich, wofür Sie ihn halten, er ist trotzdem eine Katze. Sie können ihn entweder weggeben oder mit ihm ausziehen. War nett, Sie kennenzulernen, MrsSilchester, und auch …« – er sah erst mich, dann mein Leben fragend an –, »… Sie.« Mit einem letzten warnenden Blick in meine Richtung fügte er hinzu: »Ich komme wieder und schaue nach, ob er weg ist.« Dann verschwand er endlich.
»Tja, herzlichen Glückwunsch zu meinem Geburtstag«, sagte ich finster.
Mum warf mir einen zerknirschten Blick zu. Ich öffnete die Badezimmertür und ließ MrPan frei. Er starrte von einem zum anderen und wusste offensichtlich, dass etwas Schlimmes passiert war.
»Kein Job, kein Mann, keine Freunde, keine Wohnung. Du hast wirklich Wunder bewirkt«, sagte ich zu meinem Leben.
»Ich dachte, ein bisschen Entrümpeln kann nie schaden«, erwiderte er und setzte sich wieder vor
Jeremy Kyle
. »Er redet mit denen, als wären sie doof. Ich sollte mir Notizen machen.«
»Du brauchst deine hübsche Wohnung nicht aufzugeben«, sagte Mum. »Ich kann MrPan nehmen, das tu ich gern. Denk doch nur, wie viel Platz er zu Hause hätte.«
»Aber ich würde ihn vermissen.« Ich nahm den Kater auf den Arm und knuddelte ihn. Genervt von so viel Liebe suchte er das Weite.
»Dann hast du umso mehr Grund, mich zu besuchen«, sagte Mum fröhlich.
»So leicht können Sie Lucy nicht überzeugen, Sheila«, meldete sich mein Leben zu Wort. »Und wie könnte sie das hier auch jemals zurücklassen?«
»Ich liebe meine Wohnung«, schnaubte ich. »Zwei Jahre und sieben Monate hab ich es geschafft, dich geheimzuhalten, MrPan.«
Mum sah aus, als hätte sie ein noch schlechteres Gewissen.
»Heute ist offensichtlich der Tag, an dem alle Geheimnisse gelüftet werden«, stellte mein Leben fest, und ausnahmsweise meinte er das ernst.
Aufgeregt klatschte Mum in die Hände. »Machen wir uns fertig!«
Aus Anstandsgründen zog Mum sich im Badezimmer um, während ich mich vor meinem Leben entblätterte.
»Was ziehst du an?«, fragte er.
Nachdenklich betrachtete ich die Vorhangstange.
»Das hier?«
Er rümpfte die Nase.
»Das Rosarote?«
Er schüttelte den
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