Ein Moment fürs Leben. Roman
gegangen, um für meine Mutter etwas zu essen zu kaufen. Es war ein paar Jahre her, seit ich das letzte Mal in einem Supermarkt gewesen war, einem richtigen Supermarkt, nicht in einem Rundum-Kiosk, wo ich die letzten zwei Jahre meinen Ein-Personen-Appetit gestillt hatte. Aber dann hatte ich die Lebensmittel links liegenlassen, weil es mich unwiderstehlich in die Backabteilung zog, und als ich dort ankam, wurde mein Kopf plötzlich quicklebendig, als hätte es nach einem langen Winterschlaf eine kleine Gedankenexplosion gegeben. Nicht nur Ideen sprudelten hervor, denn die hatte ich immer gehabt, nein, es formten sich Pläne, und es fielen Entscheidungen. Als Erstes beschloss ich, einen Schokoladengeburtstagskuchen für mich zu backen, aber nachdem ich damit angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören, und als wäre das Backen die beste Therapie für mich, wurde in meinem Kopf alles immer klarer.
»Je mehr ich backe, desto mehr kriege ich gebacken«, erklärte ich meinem Leben. »Aber erst kriege ich das Backen gebacken«, kicherte ich.
Mein Leben sah mich amüsiert an.
»Aber vor allem muss ich mit meinen Freunden reden. Und mit Don. Ich muss mir einen Job suchen, einen richtigen Job, einen Job, den ich irgendwie mag, einen Job, für den ich qualifiziert bin. Ich muss die Vergangenheit endlich hinter mir lassen.«
Ich schob ihm einen Brombeer-Apfel-Crumble hin und checkte mein Handy. Alle anderen hatten auf meine Nachricht geantwortet, nur Don noch nicht.
»Wow. Erleuchtung ist echt untertrieben. Du bist also bereit für Veränderung?«
»Man könnte sagen, Veränderung ist mein zweiter Vorname.« Ich arbeitete weiter an meinem Teig, denn ich hatte eine Mission.
»Eigentlich ist Caroline dein zweiter Vorname, aber ich versteh dich schon.« Er stützte das Kinn in die Hand und beobachtete mich, aber ich konnte erkennen, dass er genauso aufgeregt war wie ich. In mir hatte sich etwas verändert, die Dinge waren endlich in Bewegung geraten. »Ich hab deine SMS um Mitternacht bekommen.«
»Gut«, sagte ich, hob den Teig von der Theke, legte ihn auf einen Teller und zupfte ihn vorsichtig in Form.
»Gehe ich recht in der Annahme, dass du an alle deine Freunde eine ähnliche Botschaft geschickt hast?«
»Japp.«
»Wussten die überhaupt, dass du heute Geburtstag hast? Warum haben sie nichts für dich geplant?«
»Vor einem Monat ungefähr wollten sie etwas planen, und ich hab ihnen gesagt, sie sollen es lassen. Ich hab ihnen erzählt, ich fahre mit meiner Mum nach Paris.«
»Kommen denn alle zu diesem überraschenden Geburtstagsessen?«
»Japp.« Alle außer Don bisher.
»Und erzählst du mir, was in deiner kleinen Rede vorkommen wird?«
»Nein.«
Es schien ihm nichts auszumachen.
»Und was hast du mit dem ganzen Kuchen vor?«
»Den kann ich an die Nachbarn verteilen.«
Er schwieg. Dann meinte er: »Du hast letzte Nacht den Film gesehen, stimmt’s?«
»Welchen Film?« Ich tat, als wäre ich verwirrt.
»Lucy«, sagte er warnend und stand auf. »Was hast du vor? Willst du eine Bäckerei aufmachen wie die Frau in dem Film?«
Ich wurde rot. »Warum nicht? Bei ihr hat es funktioniert.«
»Weil das ein Film ist, Lucy, da werden lebensverändernde Entscheidungen in Zwanzig-Sekunden-Montagen getroffen. Aber das hier ist dein Leben. Du hast keine Ahnung, wie man ein Geschäft aufmacht, du hast kein Geld, keine unternehmerischen Fähigkeiten, keine Bank würde dir einen Startkredit geben – es gefällt dir einfach nur, mit rosa Zuckerguss rumzumachen.«
»Du hast rummachen gesagt«, schnaubte ich und kicherte kindisch.
Er verdrehte die Augen.
»Na ja, vielleicht verkauf ich den Kuchen heute auf dem Markt am Kanal«, sagte ich, als wäre das eine ganz neue Idee, obwohl ich außer der Klarheit, die mich vorwärtstrieb, durchaus auch im Hinterkopf hatte, wie aufregend es sein würde, das Zeug auf dem Markt feilzubieten. Ich fühlte mich dynamisch, ich erschuf mir selbst eine sinnvolle Arbeit, obwohl ich keinen regulären Job mehr hatte. Und das war doch das, was man heutzutage überall eingetrichtert bekam. Bestimmt war mein Leben stolz auf mich.
»Großartige Idee.« Er strahlte, aber ich hörte seinen sarkastischen Unterton. »Hast du schon einen Gewerbeschein? Hast du dich als Nahrungsmittelbetrieb registrieren lassen und dich mit den Hygienebestimmungen vertraut gemacht?« Er sah sich in der Wohnung um. »Hm. Hast du schon einen Stand? Und einen Platz gebucht, wo du deine Ware anbieten
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