Ein Moment fürs Leben. Roman
kannst?«
Er öffnete seine Tasche und warf eine Zeitung auf die Theke. »Wach auf und lies das hier.« Die Seite mit den Stellenanzeigen war aufgeschlagen, aber ich konnte mich nur auf die Tatsache konzentrieren, dass eine Ecke in der Sahne gelandet war. Mein Leben tunkte den Finger in die Schüssel mit dem Zuckerguss und leckte ihn ab. Seine Augen leuchteten. »Mmm. Vielleicht könntest du doch eine Bäckerei aufmachen.«
»Wirklich?«, fragte ich hoffnungsvoll.
»Nein«, antwortete er mit bösem Gesicht. »Aber das nehme ich mit.« Er nahm einen Teller mit Cupcakes und trug ihn zur Couch.
Ich lächelte. »Oh, was ich noch fragen wollte – hat Don bei dir angerufen?«
»Nein, tut mir leid«, antwortete mein Leben leise.
»Okay, ist ja nicht deine Schuld.« Ich machte mich wieder an die Arbeit.
Mein Leben verputzte Cupcakes und sah sich mit lauten Zwischenrufen die
Jeremy Kyle Show
an, als es klopfte. Ich öffnete die Tür – und knallte sie sofort wieder zu. Mein Leben stellte den Fernseher auf Pause und sah mich erschrocken an.
»Was ist?«
Panisch versuchte ich, ihm mit einer Pantomime zu erklären, dass mein Vermieter vor der Tür stand. Aber er kapierte es nicht. Während sich das Klopfen allmählich zu einem Hämmern steigerte, rannte ich durch die Wohnung und versuchte MrPan einzufangen, der das natürlich für ein Spiel hielt. Schließlich erwischte ich ihn, schleppte ihn ins Bad und verriegelte die Tür. Mein Leben starrte mich verständnislos an, und vor lauter Staunen war seine Hand mit dem Cupcake direkt vor seinem offenen Mund in der Luft erstarrt.
»Bin ich der Nächste? Wenn du eine Weile allein sein willst, musst du es nur sagen.«
»Nein«, zischte ich und öffnete meinem Vermieter die Tür. Vor Wut, dass ich ihn so lange hatte warten lassen, war er knallrot im Gesicht.
»Charlie«, lächelte ich. »Tut mir leid, dass es einen Moment gedauert hat, ich musste schnell ein paar Sachen wegräumen. Persönliche Frauendinge privater Natur.«
Mit argwöhnisch zusammengekniffenen Augen musterte er mich. »Kann ich reinkommen?«
»Warum?«
»Die Wohnung gehört mir.«
»Ja, aber Sie können nicht einfach unangemeldet hier reinstürmen. Ich wohne hier. Ich habe auch Rechte.«
»Ich habe gehört, Sie hätten eine Katze.«
»Eine Katze? Ich? Niemals! Ich bin total allergisch gegen Katzen, ich kriege Ausschlag auf den Armen und hasse sie. Die Katzen natürlich, nicht meine Arme – die Arme trainiere ich schon seit Jahren.« Ich zeigte ihm meine Muskeln.
»Lucy«, sagte er warnend.
»Was?«
»Lassen Sie mich rein, damit ich mich umschauen kann.«
Ich zögerte und machte dann widerwillig die Tür ein Stückchen weiter auf. »Okay, aber ins Bad können Sie nicht.«
»Warum nicht?« Er trat ein und sah aus wie ein gemeiner Kinderfänger.
»Ihre Mutter hat Durchfall«, schaltete sich mein Leben ein und kniete sich auf die Couch. »Sie wäre nicht begeistert, wenn Sie einbrechen.«
»Ich habe nicht vor, irgendwo einzubrechen. Ich bin der Vermieter. Und wer sind Sie?«
»Jedenfalls keine Katze. Ich bin Lucys Leben.«
Charlie beäugte ihn misstrauisch.
Zum Glück hatte das Backen den größten Teil des Katzengeruchs vertrieben, den ich nie bemerkte, weil ich so an ihn gewöhnt war, aber dieser Katzenfänger hätte ihn sicher in null Komma nichts erschnuppert.
Dann fiel mir plötzlich MrPans Körbchen und das Katzenklo ein.
»Was geht hier vor?«, fragte Charlie und betrachtete die unzähligen Teller mit Backwaren, die überall herumstanden.
»Oh, das? Ich hab nur gerade gebacken. Wollen Sie was davon versuchen?« Ich führte ihn in die entfernteste Zimmerecke, wo er mir den Rücken zuwenden musste, und drückte ihm eine Kuchengabel in die Hand. Dann rannte ich schnell um die Ecke und kickte MrPans Körbchen unter mein Bett. Im gleichen Moment, als es verschwunden war, drehte der Vermieter sich um, musterte mich argwöhnisch und deutete mit seiner Gabel auf mich.
»Führen Sie etwas im Schilde?«
»Was denn?«
»Haben Sie eine Lizenz?«
»Wozu brauche ich eine Lizenz? Ich backe doch nur.«
»Hier drin ist eine Unmenge Kuchen. Wer soll denn den essen?«
»Sie will einen Cupcake-Laden aufmachen«, erklärte mein Leben.
Erneut wurden Charlies Augen schmal. »So wie in dem Film gestern Abend, was? Aber das war in New York, hier würde so was nicht funktionieren. Und wenn der Typ sie wirklich zurückhaben wollte, dann hätte er es tun sollen, bevor sie so erfolgreich geworden ist,
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