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Ein Moment fürs Leben. Roman

Ein Moment fürs Leben. Roman

Titel: Ein Moment fürs Leben. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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in einer Abteilung, die aus einem Team von sechs Leuten bestand, und mein Job war es, die Bedienungsanleitungen für die Geräte der Firma ins Deutsche, Französische, Spanische, Niederländische und Italienische zu übersetzen, sicher nicht die anspruchsvollste Aufgabe. Mein einziges Problem dabei war, dass ich kein Spanisch konnte, jedenfalls nicht wirklich fließend, und deshalb hatte ich diesen Teil meiner Arbeit outgesourct, und zwar an eine Bekannte, die über sehr gute, um nicht zu sagen perfekte Spanischkenntnisse verfügte, da sie aus Madrid stammte. Sie erledigte die Übersetzungen gern für mich, bekam für ihre Gefälligkeit zu Weihnachten eine Flasche Poitín, und so war die Sache geregelt. Bisher hatte dieses Arrangement ganz gut geklappt, wenn man davon absah, dass ich gelegentlich auf glühenden Kohlen saß, weil meine Bekannte ein bisschen langsam war und die Übersetzungen erst in allerletzter Sekunde ablieferte. Ich selbst hatte ein hervorragendes Examen in Betriebswirtschaft und Sprachen und einen Master in International Business gemacht, ein Jahr in Mailand und ein Jahr in Deutschland gearbeitet, und mein Master stammte von einer Business School in Paris. Außerdem hatte ich sozusagen als persönliches Hobby in Abendkursen Niederländisch gelernt. Aber die Frau, die mein spanisches Alibi geworden war, hatte ich bei der Junggesellinnenparty einer Freundin in Madrid kennengelernt. Obwohl ich nicht Jura wie mein Vater und Riley oder Medizin wie Philip studiert hatte, glaube ich, dass mein Vater auf meine akademischen Leistungen und meine Sprachkenntnisse zumindest ansatzweise stolz gewesen war, bis ich diesen Job hier annahm und das bisschen Freude, das er an mir hatte, endgültig den Bach runterging.
    Die erste Person, die ich jeden Morgen im Büro traf, war die Ausquetsch-Tuss, die von ihren Eltern Louise getauft worden war. Dem guten Geschmack zuliebe werde ich sie lediglich Quetschi nennen. Sie war unsere Teamleiterin, wollte in einem Jahr heiraten, und diesen großen Tag plante sie schon seit Tag eins im Mutterleib. Wenn Fischgesicht, unsere Chefin, nicht da war, blätterte Quetschi meistens in irgendwelchen Zeitschriften, aus denen sie Bilder herausriss, um Moodboards ihres perfekten Tages zusammenzustellen. Nicht dass ich selbst so besonders tiefgründig gewesen wäre, aber ich bildete mir gerne ein, wenigstens nicht
nur
oberflächlich zu sein, und ich hatte von dem ständigen Geplapper über Kosmetik und so weiter die Nase gestrichen voll. Ihre Themen wären die gleichen gewesen, egal, welchen Mann sie geheiratet hätte. Ihr Wissensdurst, was den »schönsten Tag« anderer Menschen anging, war unstillbar. Sie benahm sich weniger wie eine diebische Elster, wenn es um Informationen ging, sondern eher wie ein Piranha, der jedes Wort sofort verschlang, kaum dass es ausgesprochen war. Gespräche mit Quetschi waren wie Interviews, bei denen sie ausschließlich Fragen stellte, die ihr halfen, Lösungen für ihre eigenen Probleme zu finden, denn für das Leben ihres Gegenübers interessierte sie sich nicht im Geringsten. Wenn ihr die so gewonnenen Informationen nicht gefielen, rümpfte sie die Nase, aber wenn sie etwas erfuhr, was ihr in den Kram passte, wartete sie kaum noch das Ende des Satzes ab, ehe sie zu ihrem Schreibtisch flitzte, um sich Notizen über ihre neuesten Erkenntnisse zu machen. Meine Abneigung gegen sie war ziemlich intensiv, und die Tatsache, dass sie enge T-Shirts mit lächerlichen Aufdrucken trug, die obendrein so kurz waren, dass jeder ihre Speckfalten sah, machte die Sache nicht besser und nervte mich von Tag zu Tag mehr. Es waren bei mir immer solche Details, die mir andere Menschen unsympathisch machten – obwohl ich seltsamerweise die Dinge, die ich an Blake am meisten gehasst hatte, beispielsweise dass er im Schlaf mit den Zähnen knirschte, am meisten vermisste. Ich fragte mich, ob das Knirschen auch Jenna die Schlampe störte.
    Heute trug Quetschi einen Blazer über einem schwarzen T-Shirt, auf dem ein Bild von Shakespeare zu sehen war. Darunter stand:
Make love not Macbeth.
Manchmal fragte ich mich, ob sie die Sprüche, die sie mit sich herumtrug, eigentlich verstand.
    »Guten Morgen, Lucy.«
    »Morgen, Louise.« Ich lächelte ihr zu und wartete auf die erste Interviewfrage.
    »Warst du eigentlich schon mal in Ägypten?«
    Mit Blake war ich auch in Ägypten gewesen, mit vollem Programm: auf dem Kamel durch die Sahara, Besuch bei den Pharaonen, Baden im Roten Meer,

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