Ein Moment fürs Leben. Roman
mir.«
Dann schwieg er, und ich schwieg auch, und auf einmal war nichts mehr locker und natürlich, und wir waren nur noch zwei Fremde mit einer falschen Verbindung und wollten nur auflegen.
Ich fand als Erste die Sprache wieder. »War nett, mit Ihnen zu plaudern, Don. Danke für das Ticket-Angebot.«
»Tschüss, zahnlose verheiratete Frau«, erwiderte er, und wir lachten beide. Als ich auflegte, sah ich mich kurz im Badezimmerspiegel an und fand, dass ich aussah wie meine Mutter: Mein Gesicht war ein einziges Lächeln. Allerdings verblasste es, als mir klarwurde, dass ich gerade mit einem wildfremden Mann telefoniert hatte. Vielleicht war ich ja tatsächlich dabei, verrückt zu werden. Ich ging früh schlafen, aber um halb eins riss mich mein Telefon aus dem Schlaf. Erschrocken fuhr ich hoch, sah nach der Nummer auf dem Display, aber da ich sie nicht erkannte, ignorierte ich sie und wartete, dass das Klingeln endlich aufhörte und ich weiterschlafen konnte. Aber schon wenige Sekunden später klingelte es erneut, und in der Hoffnung, dass es nichts allzu Schlimmes war, ging ich dran. Zuerst hörte ich nur Lärm, laute Stimmen, Geschrei, und hielt das Telefon ein Stück vom Ohr weg, aber dann erkannte ich Musik, Gesang und einen Song. Don Lockwood hatte mich angerufen, damit ich meinen Lieblingssong hören konnte.
If you think your life’s a waste of time, if you think your time’s a waste of life, come over to this land, take a look around. Is it a tragic situation, or a massive demonstration, where do we hide?
Wenn du denkst, dein Leben ist verschwendete Zeit, wenn du denkst, deine Zeit ist verschwendetes Leben, dann schau dich mal um. Ist die Situation tragisch oder wird uns nur was vorgeführt? Wo sollen wir uns verstecken?
Ich legte mich zurück auf mein Kissen und lauschte dem Song. Als er fertig war, wartete ich, denn ich hätte gern mit Don gesprochen. Aber sobald der nächste Song begann, legte er auf.
Ich lächelte. Dann schrieb ich ihm eine SMS :
Danke.
Sofort kam eine SMS zurück.
Ein Posten weniger auf deiner Liste. Gute Nacht.
Ich starrte lange auf die Worte und speicherte die Nummer schließlich bei meinen Kontakten. Don Lockwood. Wenn ich nur den Namen anschaute, musste ich schon lächeln.
Kapitel 8
Eine Woche später wachte ich früh um sieben auf und hatte eine Scheißlaune – ich glaube wirklich, dass das der Fachausdruck für mein Befinden war. Seit einer Woche hatte ich nicht mehr richtig geschlafen, genau die Zeit, bis wieder etwas Interessantes in meinem Leben passierte. Als ich die Augen aufschlug und bemerkte, dass die Wohnung nach dem Krabbencocktail roch, den ich auf der Anrichte hatte stehen lassen, war mir sofort klar, dass ich schlechte Laune hatte. Tief in meinem Innern spürte ich die Irritation, wie eine feuchte Kälte, die einem durch Mark und Bein geht und sich nicht abschütteln lässt. Und ich glaube, irgendwo in meinem Körper spürte ich, noch bevor ich ihn entdeckte, dass wieder ein Brief auf dem verbrannten Teppich gelandet war. Da er noch unbepinkelt war, konnte er noch nicht lange dort gelegen haben, außerdem verdeckte er ein paar von den kleinen rosaroten Fußspuren, die MrPan hinterlassen hatte, als er den Krabbencocktail umgeschmissen und auf dem Teppich verteilt hatte.
Seit ich mich am vorigen Sonntag mit meinem Leben getroffen hatte, war jeden Tag ein Brief bei mir eingetroffen. Ich hatte sie allesamt ignoriert, und am heutigen Montag würde sich daran auch nichts ändern. Wie ein Kind, dessen einzige Macht darin bestand, über seine Puppe zu bestimmen, stieg ich hocherhobenen Hauptes über den Umschlag hinweg. MrPan wusste anscheinend genau, was er getan hatte, und spürte meine Stimmung, denn er ging mir aus dem Weg. Ich duschte, zerrte ein Kleid von der Vorhangstange und war innerhalb weniger Minuten angezogen. Dann fütterte ich MrPan, ignorierte den Brief – die zweite Woche in Folge – und verließ die Wohnung.
»Guten Morgen, Lucy«, rief meine Nachbarin, die gerade die Tür aufmachte, als ich auf den Flur trat. Ihr Timing kam mir suspekt vor. Wenn es nicht so unwahrscheinlich gewesen wäre, hätte man glatt auf die Idee kommen können, dass sie hinter ihrer Tür auf mich gewartet hatte.
»Morgen«, antwortete ich und durchforschte mein irritiertes Gehirn nach ihrem Namen. Aber da war kein Platz für Information, nur Frust. Also wandte ich meiner Nachbarin erst mal den Rücken zu und schloss meine Tür ab.
»Dürfte ich Sie vielleicht um
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