Ein Moment fürs Leben. Roman
Brustwarzen«, witzelte Jamie, und alle lachten.
»Die Kleider vom Leib reißen bringt’s nicht«, lächelte ich und legte den Arm um Melanie. »Sie hat ja sowieso fast nichts an.«
Wieder Gelächter.
»Ich wollte nur wissen, warum sie sich Sorgen um mich macht, weiter nichts«, sagte ich fröhlich. »Macht sich sonst noch einer der Anwesenden Sorgen um mich?«
Einer nach dem anderen beantwortete meine Frage, und ich hatte mich in meinem ganzen Leben noch nie so geliebt gefühlt.
»Ja, weil du dich jeden Tag ans Steuer von dieser Schrottkiste setzt«, sagte Lisa.
»Weil du mich unter den Tisch trinken kannst«, sagte David.
»Ich mach mir Gedanken um deine Zurechnungsfähigkeit«, sagte Jamie.
»Ich hab ein ungutes Gefühl, dass du diese Jacke zu diesem Kleid anziehst«, sagte Chantelle.
»Na toll, hat sonst noch jemand was an mir zu bemäkeln?«, lachte ich.
»Nein, ich mach mir überhaupt keine Sorgen um dich«, antwortete Adam.
Bestimmt verstand das keiner so wie ich.
»Und in dieser freudigen Stimmung verlasse ich euch nun, denn ich muss morgen früh raus. Alles Gute zum Geburtstag noch mal, Lisa. Bye-bye, Bäuchlein.« Ich küsste sie auf den Bauch.
Und machte mich aus dem Staub.
Ich nahm den Bus nach Hause. Sebastian hing am Tropf, bekam starke Medikamente und musste über Nacht in der Werkstatt bleiben.
Mein Handy piepte.
Eindrucksvolles Gebiss. Schick bitte noch ein paar Fotos, dann kann ich dich zusammensetzen. Wenn dein Freund nichts dagegen hat.
Clever.
Das ist keine Antwort.
Doch. Nur nicht die, die du erwartet hast.
Was machst du morgen?
Arbeiten. Gefeuert werden.
Freund … Job … Keine gute Woche für dich. Würde gern bei einem der Themen helfen!
Kannst du Spanisch?
Voraussetzung für deinen Freund?
Schon wieder clever. Egal. Voraussetzung für meinen Job. Mir droht Entlarvung als nicht spanischsprechende Spanischübersetzerin.
Blöde Sache. Estoy buscando a Tom. Das heißt: Ich suche Tom. War ganz praktisch in Spanien. Mehr werde ich nie sagen dürfen.
Als ich später im Bett lag und meine Spanisch-Sprachkassette hörte, kam wieder eine SMS .
Bin dabei, dein Pseudonym zu knacken. Keinesfalls zahnlos, nicht verheiratet, vielleicht Augenklappe und zehn Kinder. Morgen werde ich recherchieren.
Ich stellte den Blitz an meiner Handy-Kamera aus, hielt sie mir vors Gesicht und fotografierte meine Augen. Nach ein paar Versuchen klappte es, und ich verschickte das Bild. Mit dem Telefon in der Hand wartete ich auf Dons Antwort. Nichts. Vielleicht war ich zu weit gegangen. Später in der Nacht piepte das Handy, und ich stürzte hin.
Du hast mir deins gezeigt …
Ich scrollte weiter nach unten und starrte auf ein perfekt geformtes, ungepierctes Ohr.
Lächelnd schloss ich die Augen und schlief ein.
Kapitel 10
Ich belud meine Gabel mit einem Bissen von dem Drei-Bohnen-Salat, der allerdings nur zwei Bohnensorten enthielt und den ich zum ersten Mal seit zweieinhalb Jahren an meinem Schreibtisch verzehrte. Louise hatte irgendwo einen großen Leder-Chefsessel entwendet – nach den ganzen Entlassungen waren unbenutzte Ledersessel an der Tagesordnung –, und das Team führte eine Büro-Version von
Mastermind
auf. Zwinker-Quentin war im Hot Seat, und sein Thema war
Coronation Street – wichtige Ereignisse
1960
–
2010
. Mary-Maus war Quizmaster und feuerte Fragen aus dem Internet auf ihn ab, Louise stoppte die Zeit, und bisher machte Quentin sich mit dreimal Passen und fünfzehn Treffern ziemlich gut. Graham hatte den Kopf in die Hände gestützt, starrte auf sein aufgeklapptes Baguette hinunter und bewegte gelegentlich eine Hand vom Kopf weg, um ein Stück Gurke herauszuklauben.
»Ich weiß nicht, warum du denen nicht sagst, sie sollen keine Gurken draufmachen. Jeden Tag pickst du sie runter«, sagte Louise, die ihn beobachtete.
»Konzentrier dich auf die Zeit«, warf Mary-Maus ein und stellte ihre nächste Frage noch schneller. »Wie schied Valerie Barlow 1971 aus der Sendung aus?«
Ebenso schnell feuerte Zwinker-Quentin zurück: »Stromschlag mit einem kaputten Föhn.«
Jeden Moment konnte MrFernández zur Tür hereinmarschieren, und nach zweieinhalb Jahren in diesem Job würde ich offenbaren müssen, dass ich kein Spanisch sprach. Schon jetzt wäre ich vor Scham am liebsten im Boden versunken, aber zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass am schrecklichsten das Gefühl war, die anderen im Stich zu lassen, eine Regung, die mir bislang fremd gewesen war. Je
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