Ein Moment fürs Leben. Roman
naschte. Das war keineswegs ein typischer Partytrick von ihm, sondern nur ein Gedankentrick von mir.
In diesem Moment piepte mein Handy, und Don Lockwoods Name erschien auf dem Display. Ich lächelte. Über eine Woche war seit unserem Gespräch vergangen, und vor ein paar Tagen hatte ich versucht, mir irgendeine Art Gegenleistung für den Aslan-Song auszudenken, aber es war mir nichts Gescheites eingefallen. Als ich jetzt seine SMS öffnete, tauchte ein Foto von einer Porzellanfigur auf – eine verhärmte alte Frau mit einer Augenklappe, und darunter der Text:
Hab das hier gesehen und an dich gedacht.
Ich stieg aus der Vegas-Diskussion aus und simste sofort zurück.
Es ist unhöflich, mich ohne Erlaubnis zu fotografieren. Hätte für dich mein schönstes Lächeln aufgesetzt.
Aber du hast keine Zähne. Schon vergessen?
Ich setzte ein breites Grinsen auf, fotografierte meine Zähne und drückte gleich auf Senden.
Melanie sah mich mit einem neugierigen Lächeln an.
»Wem simst du denn da?«
»Niemandem, ich hab nur nachgeschaut, ob ich Salat zwischen den Zähnen habe«, erwiderte ich locker. Zu locker. Es fiel mir ganz leicht.
»Da hättest du auch mich fragen können. Im Ernst – wer ist es?«
»Bloß verwählt.« Das war keine Lüge. Ich holte zwanzig Euro aus meiner Tasche und legte sie auf den Tisch. »Leute, es war sehr nett mit euch, aber ich muss jetzt los.«
»Aber wir sind kaum zum Reden gekommen«, beschwerte sich Melanie.
»Wir haben doch nichts anderes getan als reden«, lachte ich und stand auf.
»Aber nicht über dich.«
»Was möchtest du denn wissen?« Der schwule Kellner mit dem falschen französischen Akzent reichte mir meine Jacke, nachdem er auf die Garderobe gedeutet und gefragt hatte:
»Diese ’ier?«
Ich ließ mir in die Jacke helfen und sagte dabei zu ihm:
»Il y avait une explosion grande. Téléphonez aux pompiers et sortez du bâtiment, s’il vous plait«
, was so viel hieß wie: Es hat eine große Explosion gegeben, rufen Sie die Feuerwehr und lassen Sie das Gebäude umgehend räumen. Der Kellner sah mich konsterniert an, lächelte und eilte dann weg, ehe ich ihm wie Scooby-Doo seine Maske herunterreißen konnte. »Na ja, wir müssen nicht lange über mich reden, denn bei mir passiert nichts Interessantes. Glaub mir. Aber irgendwann treffen wir uns mal wieder unter vier Augen, dann können wir in Ruhe quatschen. Wie wär’s, wenn ich nächste Woche einfach zu einem deiner Gigs komme und wir uns ein bisschen in eine Nische verdrücken?«
Melanie war eine gefragte und in der Clubszene absolut angesagte DJane. Sie arbeitete unter dem Namen
DJ
Dark
, wobei der Name mehr darauf anspielte, dass sie eigentlich nie das Tageslicht sah, als auf ihr umwerfendes armenisches Äußeres.
Sie lächelte, umarmte mich und rieb mir liebevoll über den Rücken. »Klingt großartig, auch wenn wir dann von den Lippen ablesen müssen. Ach«, sie drückte mich fester, »ich mach mir doch nur Sorgen um dich, Lucy.«
Ich erstarrte. Anscheinend merkte sie es, denn sie ließ mich schnell wieder los. »Was meinst du damit?«, fragte ich argwöhnisch.
Sie sah mich an, als hätte sie Angst, ins Fettnäpfchen getreten zu sein. »Ich wollte dich nicht verletzen. Bist du beleidigt?«
»Na ja, das kann ich noch nicht sagen, weil ich nicht weiß, was es bedeutet, wenn meine Freundin sich meinetwegen Sorgen macht.«
Jetzt spitzten auch die anderen die Ohren. Ich bemühte mich, möglichst locker zu klingen, aber ich wollte der Sache trotzdem auf den Grund gehen. So etwas hatte Melanie noch nie gesagt, warum also ausgerechnet jetzt? Was hatte ich plötzlich an mir, das die Leute dazu brachte, sich Sorgen um mich zu machen? Auf einmal fiel mir Melanies Bemerkung ein, von der mein Leben mir erzählt hatte – dass ich so früh von ihrer Party weggegangen war. Vielleicht machte sich meine Freundin noch mehr Gedanken über mich, von denen ich nichts wusste, und ich fragte mich, ob vielleicht alle unter einer Decke steckten, ob meine Freunde womöglich auch so ein Formular unterschrieben hatten wie meine Familie. Ich schaute sie an. Sie sahen wirklich besorgt aus.
»Was ist?«, fragte ich und strahlte in die Runde. »Warum starrt ihr mich alle so an?«
»Ich weiß nicht, wie es den anderen geht, aber ich hab auf einen kleinen Faustkampf gehofft«, meldete sich David zu Wort. »Oder eher einen Cat Fight – kneif sie, kratz sie, stich ihr die Augen aus.«
»Reiß ihr die Kleider runter, zwick sie in die
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