Ein Moment fürs Leben. Roman
darauf bestanden, dass wir uns nicht in meiner Wohnung treffen konnten. Edna hatte mich angerufen und gesagt, wir hätten den Tag frei, und ich war froh darüber, nicht nur wegen der Arbeitspause, sondern weil es mir echt peinlich war, wie spektakulär meine mangelnden Spanischkenntnisse ans Tageslicht gekommen waren. Mich absichtlich in so eine Situation zu bringen, damit ich bereit war, mich mit ihm zu treffen, war mehr als perfide. Er hatte nicht nur meine Sicherheit, sondern die aller Anwesenden aufs Spiel gesetzt. Inzwischen war ich so wütend, dass ich das zweite Treffen mit meinem Leben kaum erwarten konnte.
Am nächsten Abend war ich noch damit beschäftigt, mir intelligente Bosheiten auszudenken, die ich ihm an den Kopf werfen konnte, als mein Handy klingelte. Da ich die Nummer nicht kannte, ignorierte ich das Klingeln zunächst, aber es ging nach einer kurzen Pause sofort wieder los. Und darauf gleich noch einmal. Dann klopfte es an die Tür. Ich rannte hin und machte auf. Es war meine Nachbarin, deren Namen ich mir nicht merken konnte, vollkommen aufgelöst.
»Es tut mir total leid, dass ich Sie stören muss. Es ist wegen meiner Mutter. Mein Bruder hat gerade angerufen, ich soll sofort in die Klinik kommen.«
»Kein Problem.« Ich schnappte mir meine Schlüssel und zog die Tür hinter mir zu. Meine Nachbarin zitterte heftig.
»Kein Problem, gehen Sie zu ihr«, wiederholte ich sanft.
Sie nickte. »Es ist nur … ich hab ihn noch nie allein gelassen …«
»Alles klar. Vertrauen Sie mir, alles wird gut.«
Sie führte mich in ihre Wohnung, zeigte mir alles und ratterte zittrige Anweisungen herunter. »Das Fläschchen hab ich schon gemacht, Sie müssen es aber aufwärmen, bevor Sie ihn füttern, er trinkt sie nämlich nur, wenn sie warm ist, so um halb acht, und er schaut sich gern
In the Night Garden
an, bevor er ins Bett geht. Drücken Sie einfach auf
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hier am DVD -Player. Dann schläft er problemlos ein. Aber nicht ohne Ben. Das ist der Piraten-Teddy da drüben. Wenn er aufwacht und heult, können Sie ihm was vorsingen, das beruhigt ihn immer.« Sie zeigte mir alles: Beißringe, Kuscheltiere, den Sterilisator, falls ich die Flasche fallen ließ und eine neue zubereiten musste. Dann schaute sie auf die Uhr. »Also, dann geh ich jetzt mal«, meinte sie zögernd. »Oder soll ich doch lieber dableiben?«
»Gehen Sie. Ich mach das schon.«
»Ja, Sie haben recht.« Sie schlüpfte in ihren Mantel und öffnete die Tür. »Okay. Ich erwarte nicht, dass jemand vorbeikommt, und Sie bekommen ja sicher auch keinen Besuch von Freunden oder so, nicht wahr?«
»Nein, natürlich nicht,«
»Und Sie haben meine Handynummer, ja?«
»Hier drin.« Ich schwenkte mein Telefon in der Luft.
»Okay. Danke.« Sie beugte sich über den Laufstall. »Bye-bye, Conor. Mummy ist bald wieder da«, sagte sie mit Tränen in den Augen. Und dann war sie weg.
Und ich war in Schwierigkeiten. Ich rief das Büro an, in dem ich mich mit meinem Leben getroffen hatte, aber niemand antwortete, was bedeutete, dass die Sekretärin schon Feierabend gemacht hatte und er bereits unterwegs zu Starbucks war. Also wartete ich bis zu der Uhrzeit, die wir abgemacht hatten, und rief dann bei Starbucks an.
»Hallo«, antwortete eine gestresste Männerstimme.
»Hi, ich bin bei euch mit jemandem verabredet, und ich muss ihm sagen …«
»Wie heißt er denn?«, fiel er mir ins Wort.
»Oh, hm, das weiß ich nicht, aber er trägt einen Anzug, sieht wahrscheinlich ziemlich müde und gestresst aus und …«
»Hey, da ist jemand für Sie am Telefon«, brüllte der Mann mir ins Ohr, dann war er weg. Ich hörte, wie das Telefon weitergereicht wurde.
»Hallo?«
»Hi«, sagte ich, so freundlich ich konnte. »Sie werden nicht glauben, was mir passiert ist.«
»Hoffentlich rufen Sie nicht an, um abzusagen«, sagte er sofort. »Ich hoffe wirklich, dass Sie sich nur verspätet haben, was ehrlich gesagt schon unhöflich genug wäre, aber nicht ganz so schlimm wie eine Absage.«
»Ich muss absagen, aber der Grund ist nicht das, was Sie denken.«
»Was denken Sie denn, was ich denke?«
»Dass ich mich nicht für Sie interessiere, aber das stimmt nicht, na ja, irgendwie schon, aber ich verstehe ja inzwischen, dass ich daran was ändern muss. Trotzdem ist das alles nicht der Grund, weshalb ich absage, sondern eine Nachbarin hat mich gebeten, auf ihr Baby aufzupassen. Ihre Mutter ist schwerkrank, und sie musste ganz schnell ins
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