Ein Mord am Ende der Welt. Kriminalroman. (German Edition)
Vater!
Dass uns allen dreien in diesem Moment der logische Bruch in der Erzählung meines Vaters nicht auffiel – dass er meine Türe von außen gar nicht aufmachen konnte, um mir zu Hilfe zu eilen – hielt uns nicht davon ab, seinen Vorschlag als den richtigen anzunehmen.
Alsbald kamen wir zum Hotel zurück und meine Mutter hatte inzwischen, wenn auch widerstrebend, eingelenkt.
Zusammen nahmen wir das Abendessen ein, spielten im Anschluss mit Elle und Patrick, die wir im Speisesaal trafen, Karten, wobei ich mich angeregt mit Elle unterhielt, doch da ihr Mann und meine Eltern anwesend waren, bot das Gespräch kaum mehr als bedeutungsleere Floskeln.
So verstrich der Abend und als die meisten gähnten, gingen Elle und Patrick schlafen. Wir folgten ihnen und mein Vater gab mir erneut die Anweisungen, die ich auf der Rückfahrt erhalten hatte. Ich ging auf mein Zimmer, verriegelte die Tür und das Fenster, ließ die Kontrolle von meinem Vater wortlos über mich ergehen und legte mich ins Bett. Fieberhaft versuchte ich mir irgendwelche Gedanken auszumalen, die mich wach hielten. Ich dachte an Geister, das Klopfen, das seltsamerweise diese Nacht nicht ertönte, die Bäume am Ende der Einfahrt und an vieles andere. Mit der Zeit wurde ich schläfrig und ich versuchte mich wach zu halten, indem ich im Zimmer herumging, doch die Beine wurden immer schwerer und schwerer, ehe ich dann doch ins Bett fiel und mir nicht sicher war, ob ich nicht schon im Fallen eingeschlafen war.
10. Kapitel
Mein Vater war die ganze Nacht über wach geblieben und klopfte am folgenden Morgen heftig an meine Türe. Erst langsam und Stück für Stück konnte ich meine schweren Augenlider öffnen, doch als ich einen ersten Blick in das Zimmer warf, war ich sofort wach, denn überall auf dem Boden lagen meine Kleidungsstücke verstreut herum. Ich schwang mich aus dem Bett, lief im Schlafrock zur Türe, entriegelte sie und ließ meinen Vater herein, der mich in die Arme nahm und mir ins Ohr flüsterte, dass er froh sei, dass mir nichts passiert wäre. In mir hingegen kamen Schuldgefühle hoch, weil ich glaubte, meinen Vater enttäuscht zu haben, da ich nicht die ganze Nacht wach geblieben war.
„Du hast sicherlich einen Schlaftrank bekommen!“ sagte mein Vater, nachdem ich ihm die Ereignisse der letzten Nacht so gut wie möglich beschrieben hatte. „Das ist die einfachste Erklärung – denn damit würde sich erklären, warum Elle trotz ihres leichten Schlafs durchschlief und warum du nicht gegen die Müdigkeit ankämpfen konntest, obwohl du dich bewegt hast.“
„Aber das hieße ja, dass ich gestern Abend etwas getrunken haben muss, was den Schlaftrunk enthielt“, schlussfolgerte ich, „denn danach habe ich nichts mehr getrunken.“
„Ich denke auch, dass du das Mittel mit dem Abendessen aufgenommen haben musst. Oder danach beim Kartenspielen, denn der Täter muss sich sicher sein, dass du von dem Trank was trinkst – ein Schluck Wasser aus der Karaffe in deinem Zimmer wäre zu unsicher.“
„Es erhärtet sich immer mehr, dass entweder Mr. Howell oder eine der beiden Angestellten die Schuldigen sind, nicht wahr?“
„Ich denke, du hast da nicht ganz unrecht“, meinte mein Vater, fuhr sanft über meinen Kopf und küsste mich auf das Haar. Es fühlte sich prächtig an, dass ich so etwas wie seine Assistentin bei der Aufklärung dieses vermeintlichen Verbrechens war, und er mit mir seine Gedanken teilte.
„Komm, wir gehen deine Mutter holen“, sagte er zu mir. „Du musst nachschauen, ob dir was entwendet wurde und deine Kleider wieder aufhängen. Obwohl ich davon ausgehe, dass alles noch vorhanden ist, da du selbst keine wertvollen Gegenstände besitzt.“
Als wir meiner Mutter erzählten, dass mein Zimmer während der Nacht durchwühlt worden war, schien ihr Herz mehrfach auszusetzen. Ihr wurde nacheinander heiß und kalt, dann schwindelig, sodass sie sich auf das Bett setzen musste. Erst nach einer Weile konnte sie wieder aufstehen und half mir im Anschluss, die durchwühlten Kleidungsstücke neu zu ordnen. Dabei stellten wir endgültig fest, dass nichts gestohlen worden war.
In der Zwischenzeit hatte Patrick meinen Vater aufgesucht und die Ereignisse der Nacht besprochen. Beide waren sich nun sicher, dass es eine der beiden Bediensteten oder gar der Besitzer des Hotels, Mr. Howell, selbst sein musste, der diese nächtlichen Durchsuchungen machte. Als mein Vater seine Theorie mit dem Schlaftrunk erwähnte, schien auch
Weitere Kostenlose Bücher