Ein Mord am Ende der Welt. Kriminalroman. (German Edition)
ihm weder was getan hat noch ihm seine Schuld nehmen kann, dass er einen Mann aufgeknüpft hat?“
In diesem Augenblick sah ich die Verwirrung im Gesicht des Kochs stehen – man konnte sie buchstäblich aus seinem leeren Blick herauslesen. Aber anstatt das Thema auf sich beruhen zu lassen – was in dieser Situation durchaus klüger gewesen wäre – suchte er nach etwas, was er in diesem Moment dringend brauchte: Zustimmung.
„Glauben Sie denn... ich meine“, fing er mehrfach an und wendete sich dabei an uns. „Ich meine – sehen Sie, was ich damit sagen will – glauben Sie mir denn? Ich war nicht dabei, das gebe ich zu, aber die beiden Augenzeugen, Bingham und Wolfe, sind für mich absolut glaubwürdig. Kann es denn nicht sein, dass…“
Eremijah gab es auf, denn mittlerweile hatten auch wir begriffen, dass es sich wohl um eine Mär handelte, die der Koch für absolut wahr hielt. Doch selbst ich, die eigentlich noch am meisten von uns drei an Geister und andere Wesen glaubte, fand diese Geschichte viel zu unwahrscheinlich, als dass ich an sie glauben konnte.
Nach dem Ende der Geschichte zog sich der Koch von unserem Tisch zurück und wir genossen den Kuchen und den starken Tee. Nachdem wir gezahlt hatten und das Restaurant verließen, beschloss mein Vater, dass es an der Zeit wäre, mit dem Wagen die Klippen entlang zurück zum Hotel zu fahren. Auf der Fahrt sprachen wir angeregt über die Geschichte des Kochs, suchten mit unseren Augen von der Höhe der Klippen nach den Scilly-Inseln, doch leider war an diesem Tag das Wetter zu diesig, als dass der Blick weit genug hinaus reichte.
„Diese Nacht müssen wir uns gut präparieren“, schwenkte mein Vater das Thema auf unseren Aufenthalt im Hotel zurück, „denn wenn sich das Gerücht bewahrheiten sollte, dann sind wir diese Nacht an der Reihe.“
„Womit an der Reihe?“ fragte meine Mutter.
„Wir sind an der Reihe ausgeraubt zu werden!“ sagte ich und sah mit einem leichten Vergnügen, wie der Blick meiner Mutter unverständig zwischen meinem Vater und mir hin und her wanderte.
„Das meint ihr doch nicht im Ernst?!“ sagte meine Mutter und ich wunderte mich nicht wenig über ihre doch so erschütterte Reaktion.
„Alles deutet darauf hin, dass unsere Sachen diese Nacht nach Wertgegenständen durchwühlt werden!“ bestätigte mein Vater meine Aussage. „Wir sollten nichts Auffälliges machen, sondern nur darauf vorbereitet sein, dass es diese Nacht passiert. Das heißt, dass ich wach bleiben werde, um den oder die Einbrecher auf frischer Tat zu ertappen.“
„Und was mache ich solange?“ fragte ich und war mir auf einmal nicht mehr so sicher, ob ich dabei sein wollte, wenn die Einbrecher ins Zimmer kamen.
„Du wirst dich wie gestern Nacht in dein Zimmer einschließen“, sagte mein Vater nicht sehr überraschend, „denn wir müssen alles genau so machen, wie wir es diese Nacht gemacht haben. Es spricht einiges dafür, dass es Diebe sind, die genau wissen, wer wann und in welchem Zimmer übernachtet.“
„Du sprichst von Mr. Howell!“ sagte ich.
„Und von Teresa und Francis. Auch wenn ich Teresa nicht zutraue, dass sie einen Diebstahl begeht, so bin ich mir bei ihr überhaupt nicht sicher! Ist wohl eine Berufskrankheit, aber wenn ich dir erzählen würde, wie oft ich schon einen falschen Verdacht hatte, weil der Täter eine unschuldig wirkende Person war, würdest du kaum mehr an der Möglichkeit zweifeln.“
„Und was mache ich, wenn ich höre, wie ein Dieb in mein Zimmer kommt?“
„Du kannst sehr laut schreien – das sollte ich hören. Ich werde ja wach bleiben, dann höre ich deinen Schrei auf jeden Fall und bin in wenigen Augenblicken bei dir. Das wichtigste aber ist, dass du wach bleibst, damit du…“
„Mir ist nicht wohl dabei“, unterbrach meine Mutter meinen Vater, „unser Kind alleine in ihrem Zimmer übernachten zu lassen, wenn die Gefahr besteht, dass ein Dieb eindringen könnte. Mir ist da einfach nicht wohl bei!“
„Aber was soll denn passieren? In dem Moment, in dem sie schreit, bin ich schon aus dem Bett, reiße die Türe auf, bin mit drei, vier Schritten an ihrem Zimmer und überwältige den Dieb, der wahrscheinlich genauso erschrocken ist wie unsere Kleine!“
Da war es wieder gewesen – unsere Kleine! Dieses ständige Auf und Ab, das mein Vater mit mir trieb, die Kleine zu sein und gleichzeitig groß genug, um allein auf Diebe in der Nacht zu warten. Ich wurde einfach nicht schlau aus meinem
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