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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
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ausgedünstet – habe, daß dieser Zwischenfall ihm die größten geschäftlichen Ungelegenheiten durch Zeitverluste bringen werde; außerdem sei er in Gedanken ganz mit der für den morgigen Tag bevorstehenden Verhandlung beschäftigt gewesen. Und obendrein behauptete er bissig, daß ich es vom ersten Augenblicke an auf ihn abgesehen hätte: das habe er gleich gefühlt, während ich da mit dem Inspektor vor der geschlossenen Türe des Abteils gestanden sei.«
    »Das ist etwas für Sie, Herr Baurat«, sagte Hohenlocher. »Wutanfall mittlerer Stärke beim bloßen Anblick eines Unbekannten und darauf folgende polizeiliche Vernichtung desselben, soweit wie möglich.«
    »Hohenlocher – Sie gehören abgeschafft«, sagte Doktor Velten von rückwärts.
    »Ich glaube, es ist unmöglich, mit ihm im Ernste zu sprechen«, bemerkte der Baurat und lächelte wohlwollend.
    »Ja, auf diese Unmöglichkeit lege ich größten Wert. Es lebt sich so leichter und man genießt mehr Ruhe.«
    »Das dürfte stimmen«, sagte Doktor Inkrat. »Nun, um zum Schlusse zu kommen: der Staatsanwalt lehnte es ab, auf Grund der vorhandenen Indizien die Anklage wegen Raubmordes gegen Henry Peitz zu erheben. Ich vergaß zu erwähnen, daß eine Nachprüfung von dessen Geschäftslage ein durchaus solides, ja, man möchte fast sagen erfreuliches Bild ergeben hatte. Wir erhielten also den Akt zurück bis zur Ermittlung weiteren Beweismateriales. Diese war unmöglich. Wir mußten Peitz in Freiheit setzen. Eine andere Spur, außer jener durch meinen verdammten Coupeschlüssel eröffneten, hatte sich, trotz aller Bemühungen, nicht auffinden lassen.«
    »Sherlock Holmes’ Ende«, sagte Herr von Hohenlocher. Doktor Inkrat nickte und lachte. Sonst herrschte durch eine kleine Weile Schweigen.
    »Halten Sie Peitz für unschuldig?« fragte jetzt Castiletz. Er stieß die Frage etwas unvermittelt hervor; die Art seines Sprechens kam einfach daher, daß ihm die Zunge nicht mehr ganz gehorchen wollte nach all dem Trinken.
    »Obwohl nicht mehr Kriminalist, Herr Castiletz«, sagte Doktor Inkrat unbeweglich, »bin ich doch immer noch Polizeimann. Und das bedeutet eine ganz bestimmte Haltung des Geistes. Ein richtiger Polizist hält jeden für schuldig, der ihm nicht das Gegenteil schlagend bewiesen hat. Das konnte aber Henry Peitz nicht. Er mußte entlassen werden wegen Mangels an Beweisen.«
    »Feine Leute, diese Polizisten«, sagte Herr von Hohenlocher.
    »Aber notwendig«, erwiderte Inkrat. »Leider gibt es keine Polizeivorschriften und somit keine gesetzlichen Handhaben gegen Veräppler Ihrer Art, Sie Nassauer des Esprit.«
    »Bravo!« tönte es vom Diwan her.
    »Nieder mit ihm!« sagte der Baurat grimmig und erhob sein Glas. Alle stießen lachend mit Herrn von Hohenlocher an. »Es war wieder einmal ein reizender und gemütlicher Abend bei Ihnen«, fügte Lissenbrech hinzu, »wir danken dem lieben Hausherrn.«
    Hohenlocher jedoch wies – wie ein Dirigent beim Applaus auf das Orchester weist – stumm auf Doktor Inkrat. Worauf sich dieser schweigend verneigte.
    Beim Aufbruch gab es am Gange draußen noch einen erheiternden Zwischenfall.
    Castiletz, von der Vorstellung erfüllt, daß er nun irgend etwas holen müsse – was in ihm jetzt ganz wie eine vernünftige Überlegung auftrat – schritt rasch auf die Tür seiner einstmaligen Wohnung zu, zog den Schlüsselbund aus der Hosentasche und versuchte aufzusperren.
    Ein gewaltiges Gelächter erhob sich hinter ihm. »Hoho – « rief Herr von Hohenlocher, »nicht hier, nicht hier, sondern in den Ehehafen!« Und, zu den andern gewendet, fügte er hinzu: »Da sieht man’s: solch ein Junggeselle, war er’s auch nicht lang, drängt doch immer wieder zurück in den alten Stall.«
    31
    Das Haus der Frau Erika von Spresse war eines von den hochgebildeten, und es sah eigentlich von außen schon so aus. Wandmalereien zierten es. Im weiten Garten, darin jetzt die Rosenstöcke noch sorglich mit Stroh umhüllt waren, leuchteten da und dort marmorne Hermen an den Wegen (Platon, Pascal, Giordano Bruno), und in den Lauben, also an vereinzelten nachdenklichen Ruheplätzen, gab es Statuen (Aristoteles, Sophokles, Leibniz). Man konnte hier kaum mehr recht gehen: man mußte schon wandeln.
    Jetzt allerdings sahen diese Dinge etwas unvermittelt aus, da der Sinn gärtnerischer Anstalten nur bei sich vollendendem Gewächs hervortritt, bis dahin aber einen eher klapprigen Eindruck macht, mit Stangen, Stänglein und Gittern, im dünnen und

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