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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
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daß man mit derlei am ernsthaftesten und besten jede weitere Frage hemmt, fügte er hinzu: »Wir haben allzuviel zu tun jetzt.« Wahrhaftig, der Gedanke, Tennis zu spielen oder irgendeine sportliche Übung zu treiben, das lag für ihn jetzt ebensosehr abseits oder rein da draußen wie dieser ganze vorschreitende Frühling, welcher sich allenthalben ausbreitete.
    In ihm bestand wenig Bereitschaft für die Gepflogenheiten der kommenden Jahreszeit.
    »Herr Peter Duracher, der ja gewissermaßen diese ganzen jungen Leute anführt, mit welchen deine Frau jetzt viel beisammen ist, soll in sportlicher Hinsicht so etwas wie eine Autorität sein«, sagte Frau von Spresse.
    »Nicht nur in dieser«, antwortete Castiletz. »Vor allem als Textilchemiker. Aber er ist in der Tat ein außerordentlicher Sportsmann. Sie kommen übrigens alle häufig zu uns.«
    Das letzte fühlte er sich bemüßigt hervorzuheben, und es geschah wie in einer Art Abwehr (gleichzeitig fiel ihm ein, daß die ganze Gesellschaft eben jetzt im städtischen Hallenbade bei Duracher »Crawlen« lernte, weshalb Marianne auch nicht hierher hatte mitkommen wollen). Mochten nun diese letzten Worte Conrads in ihrem Tonfalle Müdigkeit oder Gleichgültigkeit verraten haben – seine Abwehr kam jedenfalls nicht mehr rechtzeitig und lebhaft genug; und sie konnte nicht verhindern, daß Frau von Spresse ein bisher unsichtbares Lorgnon steigen ließ, die Waffe gegen ihn richtete und so Conrad durch einige Augenblicke ansah; dann erst warf sie, gleichsam das Gesicht wahrend, durch das Augenglas einen prüfenden Blick über das auf dem Tische stehende Service, klingelte und ließ abtragen.
    32
    Die Projektierung einer eigenen Färberei für die Tuchfabrik Carl Theodor Veik wurde eingestellt. Es bedurfte in diesem Jahre 1929 nicht der feinen Nase des Kommerzienrates, um die Krise zu spüren: sie war bereits offenkundig.
    Bei Castiletz hatte dies zunächst die Folge, daß jene beiden nun seit Jahr und Tag auf seinem Schreibtische liegenden Bücher verschwanden: nämlich Doktor W. Zänkers ›Färberei‹ (Bibliothek der gesamten Technik, zweihundertundelfter Band), sowie die ›Chemische Bearbeitung der Schafwolle‹ vom gleichen Autor. Die beiden Bändchen hatten sich nicht gerade elegant ausgenommen auf dem Diplomatenschreibtische, besonders die ›Färberei‹ störte das vornehme Bild mit ihrem ziegelroten Einband. Für das amtierende Stubenmädchen waren beide Bücher übrigens längst schon zu einem Teil der Schreibtischeinrichtung geworden, den man mit abstaubte, ebenso wie etwa des Direktors Eisenmann abenteuerliches Papiermesser. Hinter diesen brauchte sich Conrad nun nicht mehr zu stecken, damit von seiten der Gurtweberei seine gänzliche Unabkömmlichkeit und Unentbehrlichkeit erklärt werde für den Fall, daß es sich der Geheimrat hätte beikommen lassen, Conrad färberische Bestrebungen dort drüben in der Tuchfabrik »studienhalber« nahezulegen: na, der alte Eisenmann, der hätte seinen Eisenmann schon gestanden, wenn’s nötig geworden wäre, gleichgültig ob mit oder ohne kurzen Pelzrock.
    Was Duracher anlangte, so entschädigte er sich für diese entfallende textilchemische Dominante durch eine solche im Sport, was ja schon der Frau von Spresse aufgefallen war und wofür ihm jetzt um so mehr Zeit blieb. Überhaupt blieb allen immer mehr Zeit; das war das Verdächtige dazumal. Conrad hatte die glatte Unwahrheit gesagt in dieser Hinsicht.
    Marianne veränderte sich. Wenn sie jetzt abends neben Castiletz im Bette lag und las, kamen ihre Arme gebräunt aus den kurzen Ärmeln des Nachthemdes. Unstreitig begann sie viel schlanker zu werden, das sagten alle. Was aber die eigentliche Veränderung ausmachte, das lag nicht im Körper, so sehr dieser in erster Linie betroffen werden mochte, sondern es saß unter der jetzt bereits bräunlichen Stirn, dort wo die Nasenwurzel verhältnismäßig tief einsprang. Sie war entschlossen. Das hätte man von ihrem Gesichte sagen müssen. Ein Wille und ein Weg wurzelten starr unter ihrer Stirne, ganz gleich, ob dieser Weg nun mit dem Tennisschläger in der Hand beschritten wurde oder mit der für den kommenden Winter in harten Arbeitsstunden jetzt schon vorbereitenden Skigymnastik oder im Hallenbade bei Erlernung der richtigen Atemtechnik, welche aus einem Frauenantlitz einen in regelmäßigen Abständen sich erhebenden Fischkopf mit Maul macht. Conrad vermied es jedoch, mit ihr in anderer Weise über ihre Bestrebungen zu

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