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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
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hatte. Marianne entwickelte zudem einen neuen und befremdlichen Eifer im Besichtigen von Sehenswürdigkeiten und Kunstschätzen, welcher Conrad wie eine Übertragung der sportlichen Disziplin auf Lebensgebiete anmutete, wo diese gar nicht hingehörte. Am ersten Tage ging er mit (die beabsichtigte Fahrt nach Padua verstand er hinauszuschieben), und so stand er denn neben seiner Frau im Dogenpalast und sah in die monströsen Quantitäten von Gliedmaßen und Wolken hinein, die hier einst der Tintoretto etabliert hatte. Freiere Augenblicke, mit etwas Wind um die Stirn, mit weiterem und weicherem Blicke, erlebte er nur wenige, an der äußersten Riva Schiavoni draußen, schon hinter jenem Wirtshause ›Zur Stadt Spezia‹; die dahinfliehenden Quadern, das flache Auf und Ab über Stufen an Marmorgeländern entlang – dies schien ihm durch einige Atemzüge wie eine Brücke, welche hinüberführen könnte in eine bessere Verfassung.
    Jedoch löste sich sehr bald alles, und zwar in der Calle S. Felice, bei dem Hause Nummer 4082 A. Marianne wollte auch durch die wenigen schmalen Gäßchen bummeln, welche es in Venedig gibt, und hier war Conrad gerne dabei. Etwas zerstreut las er an dem erwähnten Hause eben ein Schild, worauf ›Laboratorio Tedesco‹, also ›Deutsche Werkstätte‹ stand (es war ein Hutmacher) – als plötzlich Mariannes Stimme hell aufsprang, Lärm und Lachen einer Begrüßung die enge Gasse füllten, und somit eine neue Lage, neue Umstände gegeben waren; denn man hatte hier drei der jungen Leute vom Tennisplatz getroffen.
    Marianne, mit diesen in einem fröhlichen und kameradschaftlichen Einverständnis, schien übrigens, wie sich aus dem folgenden Geplauder ergab, nicht so sehr überrascht, die drei hier zu sehen (»Peggy« war auch darunter). In Conrad machte sich eine Art von Lähmung fühlbar, er lag unter all dem Lachen und Reden wie ein Stein im sprudelnden Bache; aus diesem Wasser zu kommen aber zeigte sich jetzt ein Weg, den er alsbald planend beschritt – noch während sie durch die Calle S. Felice gingen! – , obgleich irgendein halber Seitenblick ihm zeigen wollte, daß es vielleicht nicht ganz der richtige Weg sein mochte, zumindest von einem bestimmten Blickpunkte aus . . . (hier dachte er flüchtig an Tante Erika).
    Abends fragte er Marianne, ob ihr Venedig eigentlich gut gefalle? Das kam vielleicht etwas unvermittelt, ja, beinahe plump heraus, aber als ihr sekundenlanges leichtes Erstaunen verflogen war, sagte sie »ganz wunderbar« und bedauerte, daß sie es auf der Hochzeitsreise nicht berührt hatten, woran sie selbst schuld gewesen sei mit ihrem Vorurteile gegen »Hochzeitspärchen in Venedig«. Als er nun fühlen konnte, daß dieses Scharnier in Ordnung war und sich leicht bewegen ließ, schlug er seiner Frau vor, noch acht Tage hier zu verbringen, was um so eher möglich wäre, da sie jetzt Gesellschaft gefunden und die drei Herren zu ihrer Verfügung habe,welche ihrerseits beabsichtigten, noch zu bleiben. Er selbst wolle, Eisenmann zuliebe, der zweifellos überbürdet sei, die letzten Urlaubstage streichen.
    Am nächsten Abend reiste Conrad ab. Jedoch nicht bis nach Hause, sondern über Innsbruck und München nach – Stuttgart.
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    Hier erst, auf dem Treppenabsatz im Dachgeschoß eines Hauses in der Stiftstraße, wich zum ersten Male die Umhüllung und Befangenheit des Spätsommers von ihm, erlebte er wirklich, daß es Herbst sei, Oktober. Durch das Stiegenfenster ging der Blick über tiefer liegende Teile der Stadt hinüber zu den weiten und offenen Hügeln und Bergen in deren Umgebung. Zahllose einzelne Punkte blitzten da und dort aus dem Häusermeer, ein Knauf an einem First, die Scheibe eines Fensterflügels, der in die Sonne herausstand.
    An der Türe war ein Blatt Aquarellpapier mit Reißnägeln befestigt und darauf mit braunen Pinselstrichen geschrieben: Maria Rosanka. Castiletz schellte. Aber da rührte sich keine Glocke. Also klopfte er, und nun näherten sich große, jedoch leichte Schritte.
    »Ich heiße Conrad Castiletz und möchte Sie sprechen, gnädige Frau«, sagte er. In diesem Augenblicke blieb es ihm nicht mehr verborgen, daß die Sicherheit, welche er jetzt neuestens hatte und also auch zeigte, ohne es freilich zu wollen, aus anderen Quellen kam als alle bisherigen Geschicklichkeiten seines Lebens. Sie kam, wenn man so sagen darf, jetzt aus einer aufgerichteten, nicht mehr aus einer gebückten Haltung.
    Maria Rosanka hatte die Türe weit geöffnet, ohne

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