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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Mißtrauen. »Bitte«, sagte sie und trat beiseite. Sie trug einen Anstreicheranzug aus Drillich, mit langen Hosen, über und über von kleinen Farbstrichen und Flecken bedeckt, es sah aus wie mit buntem Konfetti bestreut. Diesen Anzug trug die Rosanka voll Würde und als ein standesgemäßes Kleid. Niemand konnte daran zweifeln, mit einer Dame zu sprechen.
    »Ich hätte mich vormelden lassen sollen durch Herrn von Hohenlocher, dessen Sie sich vielleicht noch entsinnen werden ...« sagte Castiletz, während er ihr folgte.
    »Unschwer«, erwiderte sie, »nachdem er vor acht Tagen bei mir war und zwei Bilder gekauft hat. Übrigens erwähnte er Ihren Namen.«
    »Ja – wie denn, in welchem Zusammenhang?«
    Sie betraten jetzt das Atelier. Castiletz war durch die Zufälligkeiten betroffen, welche ihm hier die Wege ebneten, nachdem er vor einer halben Stunde erst am Hauptbahnhofe Maria Rosankas Anschrift dem Telefonbuch entnommen hatte.
    »Im Zusammenhange – eigentlich mit der verstorbenen Schwester Ihrer Frau. Das heißt, Herr von Hohenlocher schilderte mir hier im Atelier sehr lustig einen Herrenabend, den es bei ihm im Frühjahr gegeben hatte . . .«
    Es war selbstverständlich. Hier war bereits alles selbstverständlich, auch, daß sie genau so aussah, wie Hohenlocher sie beschrieben hatte. Castiletz blickte durch das große schräge Fenster: golden lag die Stadt, lagen die Berge, lag die Ferne unter einem Himmel, der blau war wie im Frühling und doch tief wie ein Orgelbaß. Hier roch es nach Lack, nach Farben. Überall lagen und standen Dinge herum, meisterhaft verstreut, sozusagen nicht ohne eine gewisse Eleganz hingeworfen, ob es nun Pinsel waren auf dem langen Tisch von rohem Holze am Fenster oder eine Jacke über dem Stuhl mit zitronenfarbenem Seidenfutter nach außen gekehrt, ein Paar Handschuhe, die fast von der Tischkante fielen . . . Ein großer Strauß Astern vor der schrägen Scheibe sammelte den draußen webenden Herbst gleichsam an einem deutlichen Punkte. Während Maria Rosanka für Castiletz einen Stuhl frei machte, sagte er:
    »Ich bin deshalb gekommen. . . wegen Louison.«
    »Ja . . .?« sagte sie, und dann fügte sie nachdenklich und bewegt hinzu: »Wegen Louison.«
    »Sie waren mit ihr enge befreundet?« sagte Castiletz vorsichtig.
    »Ja, ich habe sie sehr geliebt«, erwiderte die Malerin einfach.
    Seine Absichten, seine Erkundigungen, seine Nachforschungen, die er vorhatte, das alles erschien ihm nach diesen Worten durch Augenblicke ganz trocken, arm, fast erbärmlich. Diese Frau hatte Louison von Angesicht gekannt.
    Endlich lebe ich! – so dachte er ganz deutlich, ja scharf, und er verwunderte sich zugleich sehr. Maria Rosanka war aufgestanden und in einem Nebenraume verschwunden. Nun kam sie wieder mit drei gerahmten Bildern in Händen und stellte diese sachgemäß auf, wie ein Maler tut, ins richtige Licht.
    Ja, es war Louison. Mit Blumen (jedoch mit einem großen Strauß, nicht so wie auf dem Derainauxschen Bilde, sondern vorgeneigt, bewegten Antlitzes). Dann auf dem anderen Bild lachend. Auf dem dritten halbnackt mit einem javanischen Umhängetuch, einem »Sarong«.
    »Kannten Sie Derainaux?« fragte er plötzlich.
    »Ja«, sagte sie. »Aus Paris.«
    »Und die Bilder . . . die er von Louison gemalt hat?«
    »Nein, zu meinem Jammer nicht. Während dieser ganzen Zeit hörte ich fast nichts von Louison. Und ich getraute mich damals auf gar keinen Fall, nach Leipzig zu fahren . . . obwohl sie es wollte. Wegen ihr, wegen Derainaux, wegen – Marianne, ich meine . . . wegen Ihrer nunmehrigen Gattin, ja. Vor allem wegen Derainaux nicht. Weil ich so verliebt in ihn war. Der herrlichste Mann, den ich je sah. Und dabei: ich weiß doch, daß ich lächerlich aussehe. Ach, Derainaux . . . mein Gott, wenn man da an Marianne denkt. . .«
    Sie brach tief erschrocken ab. Ihre blanken dunklen Augen, aufrichtig wie die eines Tieres in dem großen lederbraunen Gesicht, sahen dennoch so drein, als ob sie keine ihrer getanen Äußerungen jemals bedauern würde. Ja, sie hatte Derainaux geliebt. Und sie sah lächerlich aus. Und sie hatte es nicht gewagt, nach Leipzig zu fahren, als Derainaux dort gewesen war.
    »Ich bitte Sie, mir die Bilder zu überlassen«, sagte Castiletz.
    »Leider muß ich nein sagen«, antwortete Maria Rosanka. »Ein Verkaufen dieser Bilder an wen immer und um welchen Preis immer kommt nicht in Frage, obwohl ich kein Derainaux bin.«
    Er schwieg. Was hätte er auch mit den Bildern anfangen

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