Ein Mord den jeder begeht
dich nur sehen. Wirst ihnen schon recht gut gefallen. Ja. Wer weiß, wie lang ich’s noch mache. Da würdest du also heuer im Frühjahr reisen, und akkreditiert, sozusagen, wirst du schon bestens brieflich im voraus. Für dich ist die Sache mit keinerlei Verantwortung verbunden, das möcht’ ich betonen, brauchst dir den Kopf keineswegs voll zu machen. Unsern Standpunkt, so weit wir einen haben können, werden wir dir schon klarlegen. Im ganzen läuft’s auf ein paar völlig zwanglose Zusammenkünfte und Besprechungen hinaus. Aber bleib nur länger in Berlin, du sollst mit der Zeit nicht kargen, verstehst du? Sieh dich um, zerstreue dich; dazwischen bist du mal wieder zugezogen, wenn die Brüder miteinander was plaudern. Ich mach’s schon mit der Quetsche derweil hier. Na, und vor allem: im Sinne unseres früheren Gesprächsthemas halte ich die Reise geradezu für angezeigt. Trennungen klären, alte Leier. Besser als immer daheim und zur Disposition gestellt sein.«
»Gerne würde ich nach Berlin fahren, Herr Direktor, wenn man mir diese Mission zutraut«, sagte Castiletz sehr lebhaft.
»Ach was, Mission und Zutrauen, da ist gar nichts zu missionieren. Du bist ein eleganter Junge, weißt dich zu geben, nimmst deinen Frack mit – und heidi!«
Nach Feierabend fuhr Conrad vom Werk mit der Straßenbahn nach Hause, denn Marianne benötigte den Wagen, und der alte Eisenmann gedachte heute noch irgend etwas allein zu arbeiten, daher das Werksauto draußen zu bleiben hatte. Als Castiletz, nach dem Durchfahren der vielfach, scharf und trübe, belichterten Wackenroderstraße am dunklen Parke ausstieg, erkannte er vor sich den Herrn von Hohenlocher, welcher da langsam und schlenkernd dahinging. Im Augenblicke empfand er diese Begegnung angenehm: eine gelöste Unterbrechung aller Verbindlichkeiten, die ihn zutiefst in Klammern hielten, den Grund seiner Seele mit schon gewohntem Gewichte beruhten.
»Wie geht’s?« fragte er nach der Begrüßung, und Herr von Hohenlocher äußerte: »Gut, bei verhältnismäßig gewachsener Komplikation der Lage.« Und dann fügte er hinzu, in altem Deutsch, das er mitunter gerne gebrauchte:
»Die Schubert ist schellig worden.«
»Ja – wie denn?« fragte Castiletz.
»Wieder einmal«, sagte Herr von Hohenlocher. »Sie steht präzise am Punkt ihres geringsten Widerstandes. Item: will heiraten.«
»Item«, sagte Castiletz, »aber kann sie denn?«
»Natürlich nicht. Aber, was sie kann, ist, die äußeren Umstände der gewünschten Lage vorwegzunehmen: rückt ihre Zelte, zieht bei mir aus, nimmt eine Wohnung, kauft Möbel auf Raten.«
»Und was machen Sie jetzt, angesichts von dem allen?«
»Ich sagte ja: die Lage ist verhältnismäßig kompliziert; jedoch eben nur verhältnismäßig. Denn die Schubert erwählte ihr neues – annoch – bräutliches Domizil ob Ihrem ehemaligen Haupte, Herr Castiletz; will sagen, daß sie jene Kleinwohnung gemietet hat, welche gerade über den Zimmern liegt, worin Sie hausten. Vor vierzehn Tagen wurde die Bude frei. Der Dienst erfährt also keine völlige Unterbrechung, wenn auch die Verlegung des Standortes ihm nicht zum Vorteile gereicht. Ich zog einen Herausschmiß diesmal in gründliche Erwägung, jedoch auf dem untersten Grunde dieser Erwägungen wurden sozusagen erst meine eigentlichen Wünsche sichtbar. Und diese zielen anderswohin.«
»Und das wäre?«
»Auf die Ausstopfung.«
»Wie?«
»Ja ... ich würde die Schubert nicht gerne entlassen. Und, genau genommen, niemand überhaupt von den Leuten, die ich kenne. Das mußte ich mir ehrlich zugestehen. Mein eigentlicher Wunsch aber in bezug auf diese alle wäre doch: einzelne der hervorstechendsten Exemplare ausgestopft zu besitzen. Zum Beispiel den Doktor Velten. Selbstverständlich auch die Schubert.«
»Ja . . . erlauben Sie mir«, sagte Castiletz, »wie stellen Sie sich das eigentlich vor . . .?« (Nun, er fühlte es, daß er hier wieder einmal in irgendeiner Weise hereingefallen war, aber böse sein konnte man dem Herrn von Hohenlocher eigentlich nie, und das Pech mit der Schubert tat Conrad wirklich leid.)
»Denken Sie sich, ich würde zum Beispiel eine Gesellschaft geben, einen ›stummen Abend‹, bei dem jeder als Präparat sich viel deutlicher ausspräche wie früher mit allen seinen Worten, die doch letzten Endes immer wieder nur die Physiognomie verschleiern.«
»Und die Sache mit der Schubert ist ernstlich wahr?« fragte Castiletz, schon vor seinem Haustor in der
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