Ein Mord den jeder begeht
Augenblicke schon aufbrennend, wehte diese für immer trennende Flammenwand aus Marianne hervor gegen ihren Gatten. Was die folgenden Tage, ja, die Folgezeit überhaupt angeht, so muß als bemerkenswert hervorgehoben werden, daß bezüglich der Sache mit den Ohrgehängen zwischen dem Ehepaare niemals ein Wort fiel, weder von ihrer noch von seiner Seite.
Vierter Teil
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Die überwiegende Mehrzahl der Menschen verbringt ihr Dasein in des Lebens mittleren Stockwerken; nur wenige hausen dauernd im Keller oder auf dem Dache. Und auch bei diesen gewöhnt sich mit der Zeit das Aug’ an die verschobene Perspektive. Man steige wo immer herum: tut man’s ständig, so umfängt es einen mit der Zeit als Alltag. Kommt der Bürger etwa als Käufer oder befreundeter Kaffeetrinker in des Malers helles hochgelegenes Atelier (wo es nach Lack und Farbe riecht und nach lauter neuentstehenden Dingen): er wundert sich, den nachlässig und mit atemversetzender Kühnheit auf dem nächsten Dache herumsteigenden Telegraphenarbeiter sozusagen zum Nachbarn zu haben, einen Mann, der über Abgründen lebt und an der rußigen, windoffenen, dem Himmel näheren Oberfläche der Stadt: wo Luftströme wehen, die dem tiefen Grunde der Straßen Schluchten immer fremd bleiben, so wie die Lichtströme hier in der Werkstatt mit dem schrägen großen Glasfenster.
Aber auch unter dem Bauche der Stadt gehen welche herum, hantierend und amtierend mit der allergrößten Selbstverständlichkeit. Es rauscht im Dunkel und plätschert: die scharfe Lampe blitzt, prüfend (und einer Vorschrift entsprechend) geht der Blick über Zahnrad und Einstellung der Schleuse am Überfall des Sammelkanales.
Es grollt im Gedärm der Stadt, Stürme ziehn vorüber, es dröhnt und trommelt, fast wie einst, dahinten in der Ferne der Jahre, damals in jenem Kriege. Das kommt vom Stollen der Untergrundbahn, welcher nahebei liegt. Man denkt vielleicht an den Krieg. Man sieht wieder den Himmel über der Frühjahrsschlacht einen Augenblick lang, die kompakt aufschießenden Erdbäumchen einschlagender Geschosse, Kegel, die auf der Spitze stehen, noch dick vom emporgerissenen Boden, körperhaft, jetzt in Brocken spritzend, im Qualm verschwebend. Du Leben. Jetzt hat man diese Anstellung. Die Lampe wendet sich, man geht den Weg am Wasser entlang, an diesem unterirdischen Flusse (an diesem Styx), aber es ist kein Wunderns mehr: die entgegenstehenden Kanten eines solchen Lebens, eines solchen Berufs, haben sich längst abgestumpft und gerundet; man tritt um die Ecke, nimmt das Telephon aus der Nische und meldet. Es ist ein Dienstgang.
Durch den Keller der Stadt und hoch am Dache entlang führt die Untergrundbahn: somit teilweise Hochbahn. Die Gleise blitzen lang voraus auf. Die Hand liegt an der Bremse. Der Führerstand ist dunkel. Darunter zwei runde Lichtaugen, tote Augen, wenn auch hell, Voranleuchter einer Raupe von Wagen. Jetzt bleibt der Schlauch des Tunnels zurück, gaumig-weich nach rückwärts verschluckt ist dieses nahe tobende Geräusch. Grollte es im Keller, im Gedärm, so singt und schwingt jetzt anderes Material hinter dem steigenden Zuge: Brücken, Träger, Gitter auf Gitter, vorbei. Alles, was der Mensch gebaut hat, durch Jahre gebraucht hat: fast boshaft starrt der dem Erdenschoße entfremdete Stoff, das Erz, aufwölbende Bogen von Stahl, mitleidslose Konstruktion gegenüber dem doch allezeit – im Vergleiche dazu – weich und leidend bleibenden Leben. Ein unglücklich Liebender, ein sonstwie Verzweifelnder, sieht in so etwas wie in ein starres Gebirge. Aber doch sind die Töne wie klagend, in denen das Erz nachklingt, wenn wieder ein Sturm aus dem dunklen Munde (der klein zurückbleibt) hervorbraust und über die dröhnenden Brücken zieht.
Schräg in den Kurven liegt und schwankt der Lichterhimmel der Stadt, die kranken Erdensterne. Ganze Ströme und Bündel von Gleisen ziehen unten quer durch, Ketten und kürzere Raupen von Wagen stehen. Fern wird der Dampf in Ballen ausgestoßen. Da unten jetzt Nähe, Belebtheit, Bekanntes: der weite Platz, geräumige Öffnung im Wabenbau der Stadt. Klein fahren die Wagen, das Dach heraufgekehrt, welches der Mensch auf der Straße nicht zu sehen gewohnt ist. Nun fliegt wieder ein Bahnsteig heran, linker Hand, die Wartenden wachsen, und gerade wenn die Bewegung anhält, kommen immer einzelne dem ersten Wagen noch um ein paar Schritte entgegen. Zu gewissen Tageszeiten erkennt man die gleichen. Morgens etwa oder abends um sieben, halb
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