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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
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wirklich zu tun, ungeachtet des Schadens, den Sie selbst dabei erleiden würden. Von Rücksichten auf mich aber wäre jedenfalls abzusehen, da sie in der Tat nicht den geringsten Sinn hätten.«
    Die neu zugewachsenen Fähigkeiten lagen nun also völlig frei, zur Hand. Bemerkenswerterweise stellte sich hier zum ersten Male überhaupt der Mann in ihm, und gleich mit jenem paradoxen – weil vollkommen kühlen – Löwenmute, welcher der wahre ist, weil er von der Entschiedenheit herkommt. Hier, aus der tiefsten und kältesten Not seines Herzens, griff er gleich nach nichts geringerem als nach dem Kranz.
    Botulitzky seinerseits brach über den Trümmern seiner schwachen Position zusammen, und über einer verzweifelten Keckheit, von der man nicht einmal mehr sagen könnte, sie sei auf tönernen Füßen gegen Castiletz vormarschiert, sondern eher schon auf geknickten Zahnstochern.
    »Was aber werden Sie tun . . .?« sagte er, tief über die Tischplatte gebeugt.
    »Ich . . .?« sagte Castiletz. »Erstens ist das meine Sache; zweitens kann ich es Ihnen ja zum Vergnügen mitteilen: ich werde gar nichts tun, weil ich alles schon getan habe, was überhaupt getan werden konnte. Durch Jahr und Tag verfolgte ich den Mörder der Louison Veik, das heißt, ich suchte ihn zu ermitteln. Im vorigen Herbste hielt ich mich deshalb in Lauffen am Neckar auf und fand dort, nahe beim Ausgange des ›Kirchheimer Tunnels‹ – so heißt er nämlich – auf der Lauffener Seite einen Ohrring, Beryll in Gold gefaßt. Es ist doch ohne weiteres begreiflich, wenn ich daraus den Schluß ziehe, daß Sie ebenfalls nur ein Stück von diesem Paar gefunden haben können. Wie? Zuletzt suchte ich den Täter in Berlin. Dabei ging Sherlock Holmes so lange nach Pankow wie der Krug zum Brunnen: das heißt, ich fand den Täter, will sagen, mich selbst.«
    »Sie ... glaubten tatsächlich, daß es ... da einen solchen Raubmörder gegeben habe, wie . . .?«
    »Lassen wir das«, sagte Castiletz. »Ich pflegte übrigens als fünfzehn – oder sechzehnjähriger Schlingel keine Zeitung zu lesen, sondern kam viel später auf diese ganze Geschichte: dadurch, daß ich zufällig mit der Familie der Ermordeten bekannt wurde. Sodann beschäftigte ich mich mit dem Falle. Wie Sie sehen, mit Erfolg. Mehr habe ich keine Lust, Ihnen mitzuteilen. Was ich Ihnen aber sagen will, Herr Botulitzky, ist dieses: der Schmuck, und was immer damit los gewesen sein mag, das ist mir ebenso grenzenlos gleichgültig wie Ihre lächerlichen Drohungen von vorhin. Sie brauchen mir davon gar nichts zu erzählen, und ich will auch vom Bisherigen nichts gehört haben; weil ich nicht wünsche, daß Sie am Ende hintennach sich schlaflos auf dem Bette wälzen, wegen der mir gemachten Mitteilung von diesen Sachen. Das wäre sehr dumm und soll vermieden werden. Halten Sie es hier wie mit der von Ihnen früher ins Auge gefaßten Veröffentlichung: ich meine die Aufklärung des wirklichen Endes Louison Veiks der Behörde gegenüber. Kurz: tun Sie nur, was Ihnen gut tut.«
    »Herr«, sagte Botulitzky, dessen Stirn jetzt die grüne Tischdecke berührte, »Sie müssen mir das von vorhin verzeihen. Es war eine Entgleisung.«
    »Zu solchen scheinen Sie Neigung zu besitzen«, erwiderte Castiletz rücksichtslos. »Hoffentlich nicht als Zugfahrer.«
    »Nun, ich habe Sie mehrmals gefahren«, sagte Botulitzky, und in seiner Stimme war eine zusammengebrochene Klage, ein tiefer Sprung bis auf den Grund des Tons.
    »Ja, nach Pankow«, sagte Castiletz langsam.
    Sie schwiegen durch eine Minute oder länger. »Ich mußte doch . . . ich mußte Sie doch sprechen«, begann Botulitzky endlich leise, noch immer tief herabgebeugt. »Konnte ich denn das . . . konnte ich Sie denn ... vorbeilassen?! Nach neun Jahren! O du mein Gott, Sie waren damals fünfzehn oder sechzehn . . . Das Entsetzlichste war, als ich Sie sah: Sie haben sich fast überhaupt nicht verändert. . .«
    »Ist nachgeholt«, erwiderte Castiletz ruhig. »Es gibt Leute, die sich kaum verändern. Irgendwann scheint dann die große Veränderung zu kommen ... wenn man seine Nachforschungen mit Erfolg betreibt nämlich. Dann unbedingt, ja ...« er unterbrach dieses Selbstgespräch und fügte hinzu: »Auch Sie sind nicht im geringsten gealtert.«
    »Ich habe auf Sie gewartet, Herr Castiletz, um . . . endlich mit dem Altern beginnen zu können.«
    Er fiel mit der Stirn auf die Tischplatte. Ein schweres Schluchzen, das in irgendeiner Weise so klang, als sei er durch die

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