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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
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welcher ich mich damals befand.«
    »Da holten Sie den Schmuck, und vermißten dabei aufs peinlichste einen Ohrring«, sagte Conrad leichthin.
    Es war ihm gar nicht viel daran gelegen gewesen, dies nun zu sagen, von seiner Kenntnis Kunde zu geben. Die Worte hatten nicht von innen an seine Lippen gedrängt, sondern Castiletz hatte sie spielerisch hervorgeholt, und nun sah er ihnen nach, und erkannte in aller Ruhe, daß sie so etwas wie einen störenden Schnitzer bedeuteten. Im Gespräche mit Lehnder hatte er nur zugehört, den anderen reden lassen, wobei wohl die Scham wegen seines lächerlichen Abenteuers das Ihre mochte beigetragen haben. Jedoch war auch jenes Zuhören schon ein Stück gewesen vom – Einschlafen der Fehler, wie er es nun einmal nannte. Sie schliefen nicht nur ein, sie wurden bereits welk. Beispielsweise hätte es – vom jetzt erreichten Punkte aus gesehen! – eine ganz unmäßige Anstrengung gekostet, etwa irgend jemandem die Anekdote von dem Oheim seines Vaters, dem alten Obersten, und dessen beiden singenden und weintrinkenden Dienern zu erzählen ...
    Das Gesicht Botulitzkys, bis jetzt gesammelt durch die Anstrengung, genau wahrheitsgemäß zu berichten, und wenn man will, durch diese saubere Belastung der Seele auch geadelt, zerfiel, als Conrads auf die Ohrringe bezügliche Bemerkung wie ein kleines Kügelchen beiläufig zu ihm hin über den Tisch rollte. In seinem Antlitz wurden nun allerhand Weichen sichtbar, die in sehr andere Geleise hinüberführen konnten: recht verdächtige Krähenfüße um Augen und Nasenwurzel.
    »Was heißt das, Herr.. .?!« sagte er, und in seinen Zügen huschte eine Gejagtheit umher, deren letzte Rückzugslinie unzweifelhaft zum Bösen gerichtet sein mußte. »Habe ich Sie nicht ganz freiwillig angesprochen?! Rede ich hier nicht ganz freiwillig offen zu Ihnen? Wollen Sie mich etwa fangen, in irgendeiner Falle, wie? Wer sind Sie überhaupt?! Wahrscheinlich befinden Sie sich in sozusagen gehobener Stellung zum Unterschiede von mir . . . Sie haben keinerlei Anlaß, mit mir zu spielen. Ich habe verhältnismäßig weniger zu verlieren. Aber Ihnen dürfte dieser Skandal ja nicht gerade angenehm sein: ich meine, bei der endlichen Aufklärung eines eingefrorenen Kriminalfalles sozusagen als Schlüssel zu funktionieren. So was tut in Ihren Kreisen keinesfalls gut, das weiß ich sehr genau ... mögen Sie da gleich zum kritischen Zeitpunkte nur ein Bengel von sechzehn Jahren gewesen und verleitet worden sein. Aber mir werden Sie mit versteckten Drohungen nicht kommen, sonst komme ich Ihnen noch ganz anders, mein Lieber ...«
    Er hatte sich in Zorn geredet, sprach laut und sah bedenklich aus. Castiletz blickte ihn nachdenklich an, und gewissermaßen außerhalb dieses Zimmers sitzend. Die verschiedentlichen Veränderungen, welche mit dem Manne da vor sich gegangen waren seit einer Stunde, seit ihrem Zusammentreffen, wurden von Conrad, der eben von da ab auf einem festen Punkte hielt, genau wahrgenommen und beinahe als ein Schauspiel.
    Botulitzkys Gesicht kam näher. »Unter gewissen Bedingungen«, sagte er, »wäre ich selbstverständlich bereit zu schweigen . ..« Conrad sah ihm seine Angst an, sie klapperte durch alle Weichen, lief durch alle Geleise dieses Gesichtes, verfolgt von dem verzweifelten Bemühen, etwas, was ihm nun als unverzeihliche Dummheit erscheinen mußte (unter der augenblicklich obwaltenden Weichenstellung der Seele), wiedergutzumachen, und, wenn es schon nicht anders ging, durch die fadenscheinigste Frechheit.
    Aber in Castiletz – abgeschaltet, wie er sich jetzt befand, von jenem überschaubaren Menschen, dessen einstmaliger Hauslehrer vor kurzem mit ihm am Tische gesessen hatte, ein Bote des Anfangs, der knapp eine halbe Stunde vor Schluß noch eingelangt war – in Castiletz aber herrschte jetzt Nachsicht, Verständnis, ja, geradezu Wohlwollen.
    »Herr Botulitzky«, sagte er, »solche Bedingungen müssen mir gleichgültig sein, weil es mir grenzenlos gleichgültig ist, was Sie in dieser Beziehung tun oder lassen werden. Sie können gar nicht ermessen, wie wenig mich dieses interessiert. Tun Sie also immer nur das, was Ihnen in bezug auf Sie selbst vorteilhaft zu sein scheint, selbstverständlich ohne jede Rücksicht auf mich, weil ich irgendeine Rücksicht in gar keiner Weise nötig habe. Wenn es Sie wirklich erleichtert, das rätselhafte Ende der Louison Veik vor der Öffentlichkeit aufzuklären, so möchte ich Ihnen schon anempfehlen, das auch

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