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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Conrad.
    11
    »Nun, Sie können ja das schon famos!« sagte Frau Anny Hedeleg und beugte sich über die Lehne von Conrads Stuhl, auf dem dieser vor einem neuangeschafften Rechen-Apparat saß – dem »Elefanten der Rechenarbeit«, wie die Werbeschreiben sagten – um sich an dieser Maschine einzuüben. Seit Beginn des Winters war er, da es in der Schule für ihn überhaupt nichts mehr zu tun und zu lernen gab, als praktische Hilfskraft für die Abendstunden übungsweise vom Vater ins Büro genommen worden. Und da zeigte sich denn, daß er allerhand konnte, was selbst Frau Hedeleg, die bewährte Kraft, so gut nicht verstand. Doktor Albert Lehnder (jetzt schon Doktor beider Rechte), im Besitze besonderer Geschicklichkeit und ausgezeichneter, über die eigentlichen Lehrgegenstände weit hinausgreifender, herzlicher Methoden, hatte in diesem, allerdings recht günstigen Falle, einen seiner Triumphe gefeiert. Vom alten Castiletz war er deshalb gelegentlich ins Schreibzimmer (mit den Degen und Säbeln an den Wänden) gebeten worden, und dort hatte Herr Lorenz ihm seine besondere Anerkennung ausgesprochen, bei gleichzeitiger Überreichung von Reichsmark 200, unbeschadet gewöhnlicher Bezüge. Albert war ein anständiger Mensch, was sich darin zeigte, daß er Conrad gegenüber den Betrag offen einbekannte, bei gleichzeitiger Überreichung von Reichsmark 20 als Anteil.
    Frau Hedeleg blieb über den Stuhl gebeugt und verglich die bekannten Endsummen jener Fakturen, die Conrad sich erbeten hatte, um übungsweise noch einmal zu rechnen, mit den Ergebnissen der Maschine. Alle fünf Rechnungen stimmten.
    »Sie wissen also schon, worauf es bei dem Ding ankommt und worauf man achten muß«, sagte sie.
    »Ja«, antwortete Conrad.
    Jetzt stach die rechte von ihren drallen Brüsten mit der Spitze bereits so deutlich gegen seine Schulter, daß es war, als stieße ihn jemand mit dem Ellenbogen in die Seite, um ihn nachdrücklich auf etwas aufmerksam zu machen. Da ihrem Niedergebeugtsein der Anlaß zu fehlen begann, so wuchs jenes aus dem bisherigen sicheren Geschäftsgrunde in einen leeren Raum hinaus, der sich mit wesentlich anderem erfüllte.
    Ihm aber wischte etwas durch den Kopf, was mit den Worten ausgedrückt werden könnte »das muß man unbedingt mitmachen«, und dabei gab ihm überdies der Instinkt – dem er hier ganz gelockert folgte – ein, sich nicht zu rühren, die Hände auf den Knien liegen zu lassen, und so, statt einer Abwehr, eine noch engere Annäherung hervorzurufen.
    Diese erfolgte. Ihre Wange näherte sich mehr und mehr der seinen, schon konnte er, noch ohne Berührung, die Hautwärme wie einen zarten Flaum fühlen, der sein Gesicht überkroch. Und nun erst überbrückte Conrad die noch fehlenden Millimeter durch eine ganz winzige Bewegung des Kopfes, die mehr inwendig als äußerlich geschah, immerhin aber genügte, den Spalt zu schließen, so daß jetzt Wange an Wange lag.
    Sie waren allein im Büro, die Uhr stand auf ein Viertel nach sieben.
    Wann ihre Hände eigentlich von der Stuhllehne auf seine Schultern übergesiedelt waren, das hatte Conrad nicht bemerkt. Er empfand nur das Ergebnis.
    Sie blieben beide ein Weilchen unbeweglich. Dann drehten sie die Köpfe langsam um ein weniges, bis Mundwinkel an Mundwinkel lag, und küßten sich jetzt auf eine merkwürdige Art von seitwärts her, mit einem Teile der Lippen nur. Frau Hedeleg war es, die dabei zuerst die Zungenspitze gebrauchte.
    Conrads Hände lagen noch immer auf den Knien.
    Jetzt hob er den rechten Arm, gelassen und ganz krampflos. Er legte die Hand leicht an ihren Kopf, küßte sie voll auf den Mund, wandte sich ihr zu und schlang den linken Arm um ihre Schulter. Sie beugte sich noch mehr zu ihm herab, und er zog sie an sich.
    »Aber Herr Conrad!« sagte sie leise und kichernd. »Ich darf Sie doch nicht verführen!«
    »Warum denn nicht?« sagte er ruhig.
    »Seht mir mal den an!« erwiderte sie, und küßte ihn auf den Mund. »Nein, so etwas!«
    Sie schwiegen still.
    »Wann werde ich verführt?« sagte Conrad.
    »Und wenn ich nun sage – morgen?« antwortete sie und schaute in seine Augen.
    »Dann bin ich sehr glücklich«, erwiderte er unverzüglich.
    »Ich muß gehen, und eilig«, sagte sie.
    Stehend küßten sich beide noch oft.
    »Morgen Verführung?« sagte er.
    »Morgen Verführung«, antwortete sie in seinen Armen, dicht beim Ohre flüsternd.
    »Bitte, gehen Sie jetzt allein weg«, sagte sie dann lauter, »ich bleibe hier, schalte die Lichter

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