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Ein Mord den jeder begeht

Ein Mord den jeder begeht

Titel: Ein Mord den jeder begeht Kostenlos Bücher Online Lesen
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in sich trug – das hatte er sogleich empfunden, beim ersten langsamen Gang mit Ida »durch ihre Gassen hier«. Dann und wann, in einzelnen sozusagen wachsamen Augenblicken, lauschte er gleichsam über die nächste Umgebung noch hinaus, als suchte er etwas zu erfahren aus einem noch weiteren Ring des hier umlagernden Lebens, das doch für ihn keine aufzählbaren einzelnen Dinge, Angelegenheiten oder Verknüpfungen enthielt. Er wandte sich dann zu ihrem Gesicht, dem »Herzgesicht«, wie er’s zu nennen pflegte, und es schien ihm weich und vertraut.
    In den Anlagen suchten sie dann schon im Einverständnis und mit Scherzen eine möglichst abseits der Gaslaternen stehende unbesetzte Bank, was nicht immer ganz leicht war. Hier pflegten sie sich zu küssen, damit eröffneten sie solch eine Sitzung im Freien, unter den Sträuchern, die schon ihre Blätter zu verlieren begannen; da und dort sah man zwischen den Astgittern die Lichter von Häusern. Ihr Haar roch nicht mehr nach dem Öle, sie ließ es jetzt weg, weil er eine Äußerung dahingehend einmal getan hatte, ja, sie schien dann den Kopf sehr sorgfältig gewaschen zu haben, denn es war keine Spur mehr von dem leicht fettigen Geruche vorhanden. Das Haar hauchte nunmehr lediglich seine blonde Farbe in der Form eines trockenen Duftes aus. Seltsam genug, des Abends vor dem Einschlafen kam für Conrad noch immer das frühere Parfüm ihres Kopfes herauf, zugleich mit den Bildern des Anfanges dieser ganzen Beziehung.
    Sie sprachen auch. Das heißt, er tat es vornehmlich, und sie sah ihn an und schien sehr glücklich bei diesem Reden zu sein, welches etwa von der Art war, wie Conrad es im ›Bildungsverein für kaufmännische Angestellte‹ seinerseits gehört hätte, wäre er wirklich hingegangen.
    Er zog sie an sich, seine Hand glitt von ihrer Schulter herab unter ihren Mantel. Sie hielt ihm sanft den Mund hin, ihre Augen glänzten im Halbdunkel. Auf der Straße, im Rücken der beiden, fuhren laut rasselnd Lastwagen vorbei.
    Gegen zehn Uhr stieg Conrad in die Straßenbahn, bei der Remise. Er blieb auf der Plattform des letzten Wagens, und sie stand unten und sagte, sie werde sich also am Montag der nächsten Woche einen Brief vom Postamte holen, sie freue sich schon jetzt darauf, und sie werde ihm dann auch sogleich schreiben, unter demselben Kennworte wie immer ... ja? Vielleicht Sonntag in acht Tagen könnten sie dann wieder einen Ausflug machen, ja? Er beugte sich vor und gab ihr noch einmal die Hand, als der Wagen anfuhr.
    Während der Heimreise von diesem entfernten Stadtteile war Conrad stets zufrieden, ja innerlich befriedigt, als von einer Sache, deren Wert außer Zweifel stand, die man unbedingt mitmachen mußte, die unter keinen Umständen versäumt werden durfte.
    »So, du setzest das hier fort?« sagte Albert Lehnder, als Conrad ihm gelegentlich einiges erzählte. »Hm. Dort draußen. Einigermaßen bedenklich. Muß sagen, das wäre mein Geschmack nicht.«
    Jedoch sonntags trafen sich Conrad und Ida nicht »in ihren Gassen dort«, sondern am Stadtrande und fast schon im Grünen, und das bedeutete jetzt: in den tief in der Sonne eingebetteten und ins Himmelsblau geschnittenen Farben des Herbstes, die allenthalben schon breite goldbraune Bahnen durch die Wälder zogen. Nach dem sonntäglichen Mittagessen im Elternhause pflegte Conrad gleich hinauszufahren, und schon während der Mahlzeit sah er heimlich auf die Uhr.
    Jedoch nicht eigentlich, weil etwa sein Herz mit den Sekunden getickt hätte diesem Stelldichein entgegen. Sondern damit nichts ungeordnet sei, damit er rechtzeitig und als erster dort draußen an der Endstelle der Straßenbahn eintreffen könne, um die bescheidentliche Ida in schon gewohnter Weise zu erwarten.
    Da kommt sie schon mit ihrem weichen Gang, der ein wenig zögert, und mit ihrem Lächeln, beides bettet ihre Person ein in eine Art Aureole, in einen leichten Hof, wie ihn der Mond in dunstigen Nächten hat. Sie gehen zusammen gegen den Wald und bergan und über Hügel, an deren Flanken einzelne alte und neuzeitliche Villen verstreut sind, braun und weiß zwischen die Baumkronen hineingefleckt. Einmal regnet es, und sie sitzen in einem Cafe unweit der Straßenbahn, in einem weißlackierten Raum mit runden Tischen.
    Conrad unterbricht das Gespräch, und jetzt überdenkt er seine sieben Sachen, er hält für richtig, die Gelegenheit dieses »verregneten Ausfluges« hier auszunutzen, um zu sehen, ob alles in Ordnung sei, die Schule (morgen), die

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